Erykah Badu: München, Colosseum :: Modern Soul

Das Geheimnis ist gelüftet. Die Antwort heißt: nichts. Die Frage lautete: Was trägt Erykah Badu unter ihrem Turban, den sie so geschickt auf ihrem Kopf balanciert, mit gerecktem Hals und gerade gehaltenen Schultern, die ein erotisches Wippen nur verhalten andeuten. Plötzlich während ihres Auftritts war der Turban weg und offenbarte keine Dreadlocks, keinen Afro, keine Whoopi-Goldberg-Zöpfchen – sondern den schwarzen Glanz einer Vollglatze. Hardcore oder Buddhismus? Black Flag oder Dharma? „Revenge“ oder „Ozeane voll Glück und Freude“?

Etwas von allem. Erykah Badus Stimme schleudert Pfeile des Hasses und setzt Wellen der Wonne in Bewegung, singt vom siebten Himmel und behält doch das Ghetto in der Gurgel, strahlt gleißend und taucht ab in finstere Tiefen. Der Begriff „Soul“ klingt fast zu dünn und schmalbrüstig für den Zauber ihrer Stimme. Es ist die alte Schwester der Musik, die Magie, die hier zu ihrem Recht kommt. Allerdings nur innerhalb jenes magischen Kreises, den Erykah Badus Aura in die Mitte der Bühne setzt. Drumherum geht’s weit weniger magisch zu. Das klangliche Gefolge, mit dem sich Badus majestätische Stimme umgibt, tendiert leider zu faulem Budenzauber. Und wozu die Mühe eines Soundchecks, wenn es während des Konzerts doch wieder fünf Lieder dauert, bis der Klang in Richtung „einigermaßen akzeptabel“ gebastelt werden kann?

Aber auch nachdem diese Hürde genommen ist, bleibt die Fallhöhe zwischen Erykah Badus glühendem Organ und der lauwarm musizierenden Begleitung eklatant hoch. Nur wenig bleibt live vom silbernen Glitzern eines Zauberstabs und vom goldenen Sternenstaub, der bei fast jedem Song aus den Platten der Badu rieselt. Den meisten Leistungen von Erykahs Band haftet der Geschmack von Plastik an, die Liebe zum Arrangement scheint zu Gleichgültigkeit erkaltet. Man spielt Noten. Mehr aber auch nicht. Der Stimmung allerdings tut das keinen Abbruch. Vom ersten Takt an feiern die Fans ihre Erykah Badu. Und die lässt ihre Stimme wandern vom quengeligen Macy-Gray-Funk über mondänen Diana-Ross-Soul zu reifem Nina-Simone-Jazz, zelebriert ihren epischen Soul zwischen soziologischem Kommentar und flehendem Gebet, reckt die Arme gen Himmel. So groß ist Erykah Badu, wenn sie singt. Und kein noch so kümmerlicher Klang im Hintergrund kann sie klein kriegen.

www.erykahbadu.com