Friedrich Glauser liest Kif
Nähme man exzessiven Drogenkonsum als Meßlatte für die Qualität von Literatur, wäre der Schweizer Friedrich Glauser einer der größten Schriftsteller aller Zeiten. Glausers Werk ist bis auf die „Wachtmeister Studer“-Romane in Vergessenheit geraten, zu Unrecht. Dieses Hörbuch zeichnet in einer beeindruckenden Collage seine lebenslange Drogenkarriere nach. Alkohol wirkte bei ihm nicht, also griff er zum Äther, den er wegen des penetranten Geschmacks nicht mochte. In der Erzählung „Morphium“, gelesen von Schauspieler Michael Risch, zeigt Glauser ein klinisch-kühles Bild seines unersättlichen Morphium/Opiat/Kokainkonsums und des Gegenteils: „Wenn man in Verbindung mit Rauschgiften von künstlichen Paradiesen spricht, kann man bei der Entwöhnung gut von einer künstlichen Hotte sprechen. “ Junkie-Romantik? „Im Grunde gibt es nichts Uninteressanteres als das Leben eines Morphinisten. Es beschränkt sich auf Perioden, in denen er das Gift nimmt, und auf Penoden, in denen die Gesellschaft ihn zwingt, sich das Zeug wieder abzugewöhnen.“ 1921 flüchtete Glauser in die Fremdenlegion, blieb zwei Jahre in Nordafrika. Vom dortigen Kontakt mit Haschisch berichtet die Erzählung „Kif“. Sie ist das Herz dieser Collage: das einzig erhaltene Tondokument von Glauser selbst, aus dem Jahre 1937. Am 4. Februar 1939. seinem 42. Geburtstag, entschloß er sich erneut zum Entzug; seine tägliche Dosis Opiumtinktur lag nun bei 30-40 Gramm. Den großen Schweizroman, der ihm so am Herzen lag, sollte er nicht mehr schreiben; er hatte nur noch zehn Monate zu leben. Glausers Texte über die „künstlichen Paradiese“ sind Klassiker der Literatur über Drogen. Das dieser Hölle abgetrotzte Werk zeigt, daß man auch ohne permanente Dröhnung ein „Gigant“ sein kann. Mindestens der Simenon der Schweiz.
Mehr News und Stories