Ian Matthews – Stealin‘ Home
Nach Gerry Rafferty entschloß sich nun ein zweiter Vertreter der englischen Folkrock-Tradition zu einem Comeback: Ian Matthews, Gründungsmitglied von Fairport Convention. 1970 verbuchte er mit seiner Gruppe Southern Comfort einen sensationellen Erfolg in den englischen Charts: Seine Version des Joni Mitchell-Songs „Woodstock“ war dort 16 Wochen lang notiert. Dämmert’s jetzt wieder?
Wenn man sich in den vergangenen Monaten verstärkt auf die energiesprühenden Produktionen der englischen New Wave konzentriert hat, muß man sich mit Sicherheit umstellen, um diese feinsinnige Produktion würdigen zu können: hinsetzen, entspannen, zuhören. Ian Matthews fand für „Stealin‘ Home“ Musiker, die mit Fingerspitzengefühl seiner melodischen Stimme und seinen lyrischen Kompositionen gerecht werden: Bryn Haworth, der die Titel mit Ian gemeinsam arrangierte (egit, ac-git), Phil Palmer (egit), Jim Russell (dr), Rick Kemp (bg) und Pete Wingfield (kb). Als Gast holte sich Matthews außerdem den hervorragenden Saxophonisten Mel Collins ins Studio.
Bei einer so überaus harmonischen Produktion fällt es schwer, einzuhaken, weil man jeden Songs wie selbstverständlich aufnimmt; die LP strahlt eine wohltuende Atmosphäre aus. Bei aller Perfektion fällt auf, daß die Oberlebenden der Folkrock-Ära in England doch mit mehr Herz dabei sind, als ihre oft recht abgeschafften Kollegen in den USA, die sich ihre Zutaten, wie es scheint, aus irgendwelchen Automaten ziehen. „Gimme An Inch Girl“ wird sich mit Sicherheit erfolgreich in den Hitlisten tummeln, der Titelsong „Stealin‘ Home“ gehört ebenfalls zu den Höhepunkten. Bei „Yank And Mary“ sorgt der allzu angepaßte Refrain allerdings für ein leichtes Unbehagen. Die Gefahr, solch lyrische Balladen zum Schlager zu machen, lauert natürlich überall da, wo mehr Instrumente als eine Gitarre zur Verfügung stehen.
Gewisse Parallelen zu Gerry Rafferty’s erfolgreicher Comeback-LP liegen vielleicht darin begründet, daß „Stealin‘ Home“ ebenfalls in den Chipping Norton Studios aufgenommen wurde. „Let There Be Blues“ könnte darüberhinaus sogar von Rafferty persönlich stammen. Ian Matthews hat es jedoch verstanden, seine LP durchgehend interessanter zu gestalten, während bei Rafferty zwischen einigen starken Songs und dem Rest eine beachtliche Lücke klaffte.
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