Jethro Tull – J-Tull Dot Com
„Unter den großen Rockbands der Siebziger spielten wir immer in der zweiten Liga. Dort aber an der Tabellenspitze“, sagt lan Anderson, ein ansonsten eher hellsichtiger Zeitgenosse. Zweite Liga? AQUALUNG (1971) besteht noch immer neben der zeitgenössischen Konkurrenz von Deep Purple (FIREBALL) oder Led Zeppelin (IV), THICK AS A BRICK (1972) ist in seiner augenzwinkernden Komplexität bis heute unerreicht, und der intelligente Folkrock von SONGS FROM THE WOOD 0977) g’lt als kreative Krone eines ganzen Genres. Dermaßen verdient und mit einem schier unglaublichen Output von mehr als 20 Alben im Rücken gehen JethroTull nun mit J-TULL DOT COM in ihr drittes Jahrzehnt – die Fans werden’s ihnen danken. Denn das aktuelle Studiowerk, ein bißchen unglücklich nach der offiziellen Homepage der Band benannt, vereint alle sattsam bekannten Tugenden des Dauerbrenners. Flötentöne natürlich, Martin Barres sperrige Gitarre und Doane Perrys routiniert rumpelndes Schlagzeug genügen, um dem Tullhead einen wohligen Seufzer zu entlocken. Sogar lan Andersons ruinierter Stimme ließen sich im Studio interessante Zwischentöne entlocken – obschon die Stimme, genau genommen, nur noch aus Zwischentönen besteht. Mal verspielt, mal wuchtig und gerne auch dissonant lebt das Material allerdings von überraschenden Arrangements, verblüffenden Wendungen und einer exzessiven Liebe zum Detail. Und krankt daher bisweilen am Gebrechen jedweder progressiven Rockmusik: Es rockt, rollt aber nicht richtig, geht behende dahin, ohne irgendwo hinzuführen. Ein „Wondrin‘ Aloud“ wird Ian Anderson sowieso nie wieder schreiben. Ein „Budapest“ aber hätte J-TULL DOT COM schon verdient.
Mehr News und Stories