JJ72: München, Metropolis :: Epischer Weltschmerz

…aauuulll… -Crack! Der junge Rocksänger mit dem düsteren Grummelschatten auf dem Mädchenschwarmtauglichen Gesicht hat soeben mit einem gekonnten Über-Kopf-Hieb seine Stratocaster hingerichtet und schlurft jetzt von der Bühne. Zugaben wird es keine mehr geben. Was hat den jungen Rocksänger so böse gemacht?

Der junge Rocksänger ist Mark Greaney, und er und seine Kollegen Hilary Woods und Fergal Matthews – alle 20 bzw. 21 Jahre alt – sind die irische Newcomer-Bands des letzten Jahres. Als solche muss man natürlich aufpassen, dass man nicht in seltsame Halligalli-Hype-Fahrwasser manövriert wird. Und so tragen JJ72 etwas überspannt eine zugeknöpfte zornige-Junge-Menschen-Grantigkeit vor sich her, die es ihnen unter anderem verbietet, heute abend auch nur einen Satz an das Publikum zu richten. Auch gegenseitig würdigen sich die drei schwarz gekleideten Dubliner keines Blickes, während sie sich in ohrenbetäubender Lautstärke durch ihre Songs pflügen.

Einige davon – „October Swimmer“, „Surrender“, „Snow“ etwa – hätten den letzten Alben offensichtlicher Vorbilder wie den Pumpkins, Manics, Radiohead oder Placebo auch gut zu Gesicht gestanden. Greaney leidet und jauchzt sich durch seine teen-angstvollen Texte, pendelt zwischen ätherischen (von viel Kathedralen-Hall aus der Dose unterstützten) Kopfstimmen-Parts und Cobain-Kreischen, dass man sich um seinen Hals sorgen möchte. Während Woods, der natürlich schon das „Indie-Babe“-Etikett aufpappt, die glotzenden Herren am Bühnenrand geflissentlich ignoriert und Matthews sich – etwas unrund, aber schlagkräftig – als Dave Grohl-Nachwuchs empfiehlt.

Beim vorletzten Song, dem grandiosen „Oxygen“, wird dann deutlich, wie blank die Nerven liegen: Da verfehlt Greaney beim ekstatischen Refrain-Einsatz das Mikro, haut sich das Ding aufs Auge und steht dann mit gesenktem Kopf und jaulender Gitarre da, während Roadies am Mikro-Ständer herumschrauben. Ein seltsam unbehaglicher Moment ist das,fast erwartet man, Greaney könnte in verletztem Stolz über den coitus interruptus von der Bühne flüchten. Er bleibt. Aber dann, während der letzte Song „Bumble Bee“ zu Ende wummert, tut er, was ein junger Rocksänger manchmal einfach tun muss. Streift sich den Gitarrengurt über den Kopf. Umfasst das Instrument am Hals. Es kreischt. Jauuuu…

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