Joachim Witt: Berlin, Philharmonie :: Pop-Operette

Mag Wolfgang Wagner noch immer mit all der Beharrlichkeit seines würdigen Alters auf dem grünen Hügel in Bayreuth hocken und die dramatische Wucht der Hochkultur gegen jede Palastrevolte verteidigen – Joachim Witt rückt ihm als konservativer Neu-Interpret der Kulturgeschichte immer näher. Als Gralsritter der germanischen Neo-Romantik hat Witt das Markenzeichen Bayreuth zunächst in Publikumssegmenten verbreitet, an die Herr Wagner nicht mal im Albtraum zu denken geruht haben dürfte. Und mit der dramatisch-circensischen Bühnenshow zum zweiten Teil seiner „Werkreihe Bayreuth“ schickt Witt sich nun auch an, die heiligen Hallen der ernsten Musik mit technoidem Rock zu erobern.

Sinfonisch aufgemotzt mittels vier Cellisten und drei Gitarristen betritt Witt jene Bühne, die sonst Anne-Sophie Mutter oder bestenfalls Nigel Kennedy vorbehalten ist. Doch er macht sich dort unvermutet gut mit seinem gülden glänzenden Gehrock à la Madame Buttertly, dem feinen italienischen Schuhwerk und der emotionalen Distanz, mit der er dem eigenen Headbanger-Sound begegnet. Zwar gerät „Bataillon d’Amour“als Ouvertüre außerordentlich orientierungslos, im Grunde aber kann die stocksteife Diva Joachim Witt, kann auch die mit großer Geste inszenierte Pop-Operette des musikalischen Wiedergängers an keinem anderen Ort ihre Wirkung ungestrafter entfalten. Denn nur hier funktioniert der Soundwall(halla) als eine Maskerade, während er beim Zusammenprall mit der richtigen Welt umgehend für empörte Unterstellungen einer neo-faschistischen Haltung sorgt.

In der Philharmonie aber darf Witt den Siegfried geben, hier muss er nicht neuerlich den (ohnehin vergeblichen) Versuch unternehmen, alle Vorwürfe eines Rammstein-Plagiats zu entkräften. Denn hier befindet sich Joachim Witt zumindest räumlich in der Nähe zu einer Kunst, in der die Interpretation mitunter wichtiger ist als der kreative Akt. Daher kann er sich als das präsentieren, was er mehr noch ist als ein Sänger: Witt ist Schauspieler, und als solcher hat er eine feine Travestie abgeliefert, mit der er sich ohne weiteres als Nachfolger für die Intendanz von Wolfgang Wagner bewerben könnte. Über die Musik indes gießen wir lieber das Drachenblut des Schweigens. Das macht – wie auch Wolfgang Wagner weiß – bekanntlich unverwundbar.

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