Joachim Witt – Edelweiss

Als Joachim Witt im Oktober 81 die Aufnahmen für EDELWEISS abschloß, hatte er noch nicht den Druck des Erfolgs im Nacken. Damals war SILBERBLICK noch ein Ladenhüter. Joachim Witt hat diese Freiheit genutzt, und so auf alle Fälle mit seinen Texten ein paar Volltreffer gelandet. Er beherrscht inzwischen jene Kürzelsprache, die derzeit auf den Tanzflächen so beliebt ist („Ich bin euer Herbergsvater/Und sage Hey-hey/ Tri-Tra-Trullala/Gevatter Ah-ah/ Oh, oh-Juchheissassa“) ebenso meisterlich wie bizarre Metaphern („Ich fühl mich so/wie ein Mops im Böhmerwald“). Er singt von Einsamkeit („Die Gedanken sind schwarz wie die Rabennacht/manchmal denk‘ ich dabei an die Hochzeitsnacht/ Und ich fühl mich so …“), von Umweltzerstörung und immer wieder von Liebe und Sex.

EDELWEISS ist der konsequente Nachfolger von SILBERBLICK, kompakter, solider und griffiger als das Debüt, ein Musik-Massiv, das nicht nach vordergründigen Erfolgen und nicht nach Goldenen Reitern schielt.

Harald Gutowski spielt seinen Baß diesmal weniger zurückhaltend als auf SILBERBLICK, mit schönen Figuren und eng verknüpft mit den Linien der Gitarren, in die Joachim viele Ideen investiert hat. Unprätentiös und scheinbar nur nebenbei entwickelt er immer neue Melodiepartikel, subtile Riffs und sorgsam dosierte, rhythmisch rückgebundene Dissonanzen. Hier und da hört man Joachims erklärtes Vorbild David Byrne deutlich heraus, Einflüsse der DAF und vor allem den metallischen Sound der Krupps hat Joachim unaufdringlich eingebaut. Und doch bleibt er sich selber treu, macht ernst mit der „neuen deutschen Volksmusik“: das kernige Geknödel und die kleinkarierten Idyllen der deutschen Wanderlieder-Romantik („Ich zieh‘ hinaus zu den Bergen, den Tälern den Höhen“) nimmt er zuerst behutsam auf den Arm („Ich schmier mir Brötchen auf oberen Wegen“), um sie dort lautlos zu erwürgen (,Mich hat die Skyline der Gipfel gepackt. ‚) Vereinzelte Schüsse gehen noch nach hinten los („Ich bin der deutsche Neger“), und Joachims seltsames Background-Gestöhne hört sich immer ndch mehr nach Schleiflack-Schlafzimmer an als nach exakt abgezirkelter Wollust. Jaki Liebezeit trommelt so kühl und mechanisch, daß man ihn ohne Verlust durch einen Drum-Computer ersetzen könnte, der spielt auf Wunsch genauso hart, präzis und schmucklos, kann aber im Unterschied zu Jaki mühelos das Tempo ändern – wie zuvor SILBERBLICK so tuckert leider auch EDELWEISS im (fast) immer gleichen oberen mid-tempo (einzige Ausnahme: „Kuwait“).

Um EDELWEISS richtig gut zu finden, muß man ähnliche Auffassungen von Spaß, Ironie, Musik und Leidenschaft haben wie Joachim Witt. Für die, die seine nicht teilen, singt Joachim aber selbst: .Hier ist die Antwort auf deine Gegenfrage/wo liegt der Sinn denn, derselben Textbeilage/Er liegtim Dunkeln, das ist der Reiz, den sicher jeder kennt.“