Kanye West :: My Beautiful Dark Twisted Fantasy

Der Mann mit dem Riesen-Ego holt die Harke raus, begründet das Genre des Prog-Rap und lässt Zweifler und Hater verstummen.

Seine letzten Platten waren eher mäßig und die öffentliche Desavouierung von Taylor Swift bei den MTV Video Music Awards 2009 hat ihn um Jahre zurückgeworfen. Er musste also etwas tun. Und er hat etwas getan. Er hat mit My Beautiful Dark Twisted Fantasy ein Album aufgenommen, das alles in den Schatten stellt, was je auf dem Gebiet des Hip-Hop entstanden ist. Two turntables and a microphone? Nicht doch! Dieses Album muss man sich wie eine Mischung aus Sinfonie, psychologischer Sitzung, Film noir und Klängen aus dem Entwicklungslabor vorstellen. In „Gorgeous“ redet und redet Kanye West praktisch die gesamten sechs Minuten lang, immer begleitet von diesem nörgelnden Gitarrenriff aus „You Showed Me“ von The Turtles. „This is more than my road to redemption“, hört man ihn sagen. Soll heißen: Der Mann will sich noch mal beweisen. Das hat man auch schon an „Power“ gemerkt, dem schon Monate vorher aus dem Netz getropften Track, in dem Stammesgesänge und der „21st Century Schizoid Man“ von King Crimson brutal gut aufeinander gehetzt werden. Liest man sich die Credits zu „All Of The Lights“ durch, staunt man über ein Dutzend Gastsänger, die alle aus dem Prominentenkreis stammen und von Rihanna angeführt werden. In „Monster“ arbeitet Kanye West die öffentliche Kritik an ihm auf, unterstützt von Jay-Z, der hier so aufgeregt wie lange nicht klingt. Ein gewisser Bon Iver macht auch mit. „Runaway“ sollte schon bekannt sein, in seiner ganzen neunminütigen Schönheit. Ein prog-tastisches Beben. Danach die verzerrten Gitarren aus Black Sabbaths „Iron Man“ und eine Geschichte über die Liebe zu einem Pornostar. Zum Schluss ein Abstecher ins Politische: „Who Will Survive In America?“ Gil Scott-Heron statt Obama. Will Kanye West also nicht nur sich, sondern auch die ganze Welt heilen? So viel Hybris wäre diesem Wahnsinnigen glatt zuzutrauen. Aber man kann über seine persönlichen Defizite herziehen, wie man will: Wenn Kanye West alle Register zieht, können sich die anderen brav hinten anstellen. Dieses Album ist eine Machtdemonstration.