King Crimson – Elf Re-Releases The 21st Century Guide To King Crimson, Volume One 1969-1974 :: Die Geburt des Progrock
Natürlich war an allem bloß SERGEANT PEPPERS LONELY HEARTS CLUB BAND schuld: Rebellion, Sex und Lederjacken, dieser ganze großartige Rock’n’Roll-Kram, die Träume, Dramen und Versprechungen von Gene und Chuck, Hank und Buddy, der britische Beat mit all seiner „Yeah Yeah Yeah“- und „Hey Hey Hey“-Herrlichkeit: Weg. Perdu. Verschwunden. Über Nacht. Mit dem [vermeintlichenl Opus magnum der Fab Four kamen Kunst, Konzepte und Kirmes ins Spiel, die Kicks mithin vom Longplayer, nicht mehr von der Zweieinhalb-Minuten-Single, Pop became the new Klassik, y’know – und die Musikanten strebten zu neuen Ufern, die indes nur wenige erreichten. King Crimson gehörten dazu. Nichts, auch nicht die „Anything goes“-Attitüde der ausgehenden 60er Jahre hatte einen auf einen Monolithen wie IN THE COURT OF THE CRIMSON KING vorbereitet, das Ende 1969 erschienene Debütalbum des Quintetts um den exzentrischen Gitarristen Robert Fripp und den Beleuchter (!), Lyriker und Band-Philosophen Pete Sinfield. Fiese, ultraharte Rock-Riffs trafen auf berückenden Wohlklang, jazzige Soundcluster brachen sich an meterdicken Keyboardwänden, ständig wechselten Metren, Tempi, Stimmungen. Kurz: Es war ein rechter Hexensabbat, der hier entfacht wurde – und die wahre Geburtsstunde eines bizarren Phänomens namens Progrock, dem wir einige der übelsten Ausgeburten der populären Musik verdanken. Anders der King-Crimson-Kosmos, wo es um Abenteuerlust ging, um Kompromißlosigkeit und Ambition. Betrachten Sie nur das Cover: Könnten Sie sein oder ich oder der Paranoiker von nebenan – beim ersten Anhören dieser Platte. IN THE WAKE OF POSEIDON der COURT-Nachdreher, ist – vielleicht verständlich nach diesem fulminanten Auftakt – ein Moment des Innehaltens, im Grunde eine exakte Kopie des Vorgängers. Nur fällt die Qualität der Songs man vergleiche „Pictures Of A City“ mit „21st Century Schizoid Man“ oder „Cadence And Cascade“ mit „I Talk To The Wind“ – deutlich ab. Dennoch fabulierten die Gazetten: „If Wagner were alive, he’d work with Crimson“. Bald drehte sich das Personalkarussell in rasendem Tempo (siehe History), gerierte sich Fripp immer mehr als Alleinherrscher, gewährte seinen Mitspielern aber gleichwohl ein Höchstmaß an künstlerischer Freiheit. Wenn er – wie auf dem dritten Crimson-Werk LIZARD mit seinen ausufernden, dabei aber nicht allzu tragfähigen Kompositionen – auf Begleiter aus Jazz und Klassik setzte, dann ist das auch zu hören. Dito auf ISLANDS, wo eine solide rockende Rhythmuscrew mit Ian Wallace (dr) und Boz Burrell (bg) für ein solide rockendes Fundament sorgt, ohne daß auf die gewohnten Finessen verzichtet wird. Plus: Die Songs – allen voran der Klassiker „Ladies Of The Road“ – sind über jeden Zweifel erhaben. Gar noch eine Spur besser geriet das facettenreiche LARKS TONGUES IN ASPIC mit Bill Bruford (dr), John Wetton (bg) und David Cross an Keyboards, Violine und Viola, einer relativ stabilen Mannschaft, die auch für das unentschlossen zwischen sachtem Gefrickel und brutaler Härte changierende STARLESS AND BIBLE BLACK verantwortlich war. Nach dem Weggang von Cross gelang dem verbliebenen Trio ein veritables Meisterwerk: RED verband Rock und Jazz, überschwengliche Spielfreude und coole Eleganz, uneitles Virtuosentum und zarte Pop-Momente zu einem vor Intensität glühenden Ganzen. Es sollte allerdings auch King Crimsons Schwanengesang sein, und nicht einmal ein eilig nachgeschobenes Live-Album – USA – vermochte den Abschiedsschmerz zu lindern. Sechs Jahre später jedoch, 1981, meldete sich der König zurück. Aufgenommen in der Besetzung Fripp, Bruford, Adrian Belew [g] und Tony Levin [bg] hatten DISCIPLINE und das Folgewerk BEAT mehr mit dem urbanen Psycho-Funk der Talking Heads, der technoiden Kühle der frühen Peter-Gabriel-Alben und den zickigen Klangen der aufkommenden New Wave zu tun als mit der Vergangenheit von King Crimson. Mit THRAK reüssierte die Band 1995 als Sextett mit Fripp und Belew g], Levin und Trey Gunn (bg), Bruford und Pat Mastelotto (dr). Die Musik: ein komplexer Mix aus Rock, Jazz, Pop, Funk, sonischem Tosen und Neurosen, der den Kopf beschäftigt, das Herz aber kalt läßt. All diese Alben – neben denen es noch einen immer unübersichtlicher werdenden Wust aus Live – und Soloveröffentlichungen sowie diversen Nebenprojekten gibt – sind jetzt wieder in der bereits 1999 aufgelegten Version erhältlich: remastered, mit informativem Booklet, allerdings ohne Bonustracks. Wer’s lieber kompakt mag, dem sei das 4-CD-Set THE 21ST CENTURY GUIDE TO KING CRIMSON empfohlen, das auf je zwei Silberlingen die wichtigsten Studio- und Live-Takes aus den Jahren 1969 bis 1974 enthält.
www.king-crimson.com www.galileo-mc.de
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