Kirsty MacColl – Desperate Character
Vorsicht! Dies ist eine jener Platten, die man oberflächlich wiegt, für zu leicht befindet und ablegt. Schnell wieder vorkramen! Denn zum einen liegt hier die Qualität im zunächst verborgenen Detail und andererseits wird die LP umso stärker, je länger sie läuft.
DESPERATE CHARACTER ist komponiert wie ein Dave Edmunds-Produkt: als meisterliche Mixtur aus Pop-, Rockabilly-, Country- und Schnulzen-Schnipseln. An der Seite der jungen Engländerin mit dem durchdringenden Sopran stehen die genau richtigen Leute: u.a. Billy Bremner, Philip Rambow, Malcolm Morley, Paul Riley und Lew Lewis. Namen, die nicht nur Rauch sind, sondern auch Schall, und zwar sehr überzeugender. Für weitere fein arrangierte Momente sorgt die komplette ex-Rumour-Blechsektion. So erscheint zJ3. ein „Mexican Sofa“ nicht durchgesessen, frischer Tijuana-Sound bringt das Möbel vielmehr ins flotte Federn. John Earle (sax) & Co. beschwören in „The Real Ripper“ die Goldenen Zwanziger und tuten verklärt in die herzerweichende Mädchenhymne „Teenager In Love“ hinein – wie so vieles der Musik der sogenannte „Girl Groups“ nachempfunden; aus der Zeit, als die halbstarken Vespa-Boys noch Butter im Fassonschnitt schmuggelten. Zugpferde der LP: beide Fassungen von „There’s A Guy Works Down The Chip Shop Swears He’s Elvis“. Stilistische Verwandtschaft zu Carlene Carter ist unüberhörbar. Doch wo diese textmäßig schon das Bettlaken wechselt, stärkt Kirsty freilich gerade erst ihren Petticoat.
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