Lee „Scratch“ Perry – The Return Of Pipecock Jackson
RETURN OF PIPECOCK JACKSON ist das Vinyl-Comeback von Lee Perry, des mittlerweile schon fast legendären Upsetters. Ein insgesamt enttäuschendes Comeback allerdings, das sei vorweggenommen, von einem der einstmals genialsten Reggae-Produzenten. Lange Zeit war es ja bekanntlich recht still um den guten Scratch geworden, persönliche Schicksalsschläge veranlaßten ihn beinahe dazu, dem Musikgeschäft endgültig den Rücken zu kehren. Er konnte den Verlust seiner Frau einfach nicht überwinden, plagte sich gar mit Selbstmordgedanken und verscherzte sich durch seinen egoistischen Starrsinn nahezu alle Sympathien der Rasta-Gemeinde.
Nun, er ist wieder da, der verrückte Studio-Exzentriker; die Leute von Black Star Liner – hinter diesem geschichtstrachtigem Namen verbirgt sich eine holländische Reggae-Vertriebsgesellschaft – haben ihn reaktiviert. In Scratch’s Karriere lagen Genialität und Wahnsinn, Licht und Schatten ja schon immer dicht beisammen. Die wohl besten Aufnahmen von Max Romeo, Jah Lloyd, den Congoes und vielen anderen entstanden unter seiner Regie und die faszienierenden Solo-Produktionen mit seinen Upsetters brachten ihm auf der Insel nahezu Kultstatus ein. Scratch orientierte sich nie an den herkömmlichen ‚bass ’n drum -betonten Channel One-Rhythmen – allen Interpreten die er unter seine Fittiche nahm, drückte er einen charakteristischen Sound auf. Jene dezenten, unaufdringlichen Melodien, ungemein ökonomisch ausgesteuert und mit zahlreichen irrwitzigen Dub-Gimmicks angereichert. Wenn er seine Konsolenhexereien auch gelegentlich übertrieb, die Produktionen regelrecht überfrachtete. Türenknallen, Hundebellen, Flugzeuglärm und ähnliche eingeblendete Umweltgeräusche ließen oftmals die Musik zu kurz kommen, degradierten manche seiner Solo-Werke zu bedeutungslosen Ego-Trips.
Und genau dieses Eindrucks kann ich mich beim Anhören von RETURN… leider kaum erwehren. Die basic tracks, zusammen mit Freunden von Zap Pow im hauseigenen Black Ark Studio aufgenommen, wurden in Amsterdam neu abgemischt und von Scratch im Toasterverfahren übersprochen. Von seinem gesunden Humor hat er zweifellos nichts eingebüßt, aber das ist dann auch schon der positivste Aspekt dem ich seinem neuen Album abgewinnen kann. Er war ohnehin nie ein Philosoph, eher ein total durchgedrehter Komiker, der aber mit seinem Ideenreichtum die jamaikanische Musik immens bereicherte. Und genau diese Ideen, das Gespür für treffsichere Melodien und organisch eingefügte Instrumentalparts scheint er im Verlauf seiner langen Kunstpause eingebüßt zu haben. Seine einstmals geradezu revolutionäre Dub-Technik wird heute von jungen Perry-Inspirierten, von Crucial Bunny oder Scientist wesentlich überzeugender interpretiert. Hier jedoch passiert kaum etwas, die meisten Stükke geraten zu langatmig und sind obendrein auch noch recht einfallslos abgemischt. Schade, aber PIPECOCK JACKSON ist lediglich ein matter Abglanz von Lee Perrys Regiekünsten, eine Platte, deren Qualität weit unter seinen Möglichkeiten liegt!
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