London’s Burning
Noch eine Punk-Historie-und zwar eine unverzichtbare. Heute, wo Punkrock nicht mehr (und weniger) ist als eine Millionenindustric, ein durchgenormtes Karrieremodell mit definiertem Dresscode,fallt es schwer, sich (und erst recht anderen) klarzumachen, was wirklich los war zwischen den Sommern 1976 und 1977, wie sich das anfühlte und was es bedeutetezumal jeder bislang unternommene Versuch, selbst der gelungenste, einen festen (Rück-)Blickwinkel hat und sich in einigen Punkten vorab entscheidet, z.B. der ewigen Frage: London oder New York? Dave Thompson, Autor von derart vielen Rock- und Popbüchern, dass man sich fragt, wann der Mann was anderes tut als schreiben, kümmert sich wenig um so was, pfeift auf gängige Einordnungs- und Erklärungsmodelle und erzählt stattdessen gänzlich subjektiv, wie ihn als damals 16-jährigen Plattenverkäufer die Revolution überrollte und mitriss. Dabei ist es ihm auch völlig egal, dass ein anständiger Pistols-Fan Patti Smith nicht mögen durfte (und umgekehrt) und dass z.B. Eddie & The Hot Rods und die Heavy Metal Kids für aufrechte Punks so verboten waren wie rohe Kalbsleber für einen Straight-Edge-Veganer – stimmt a sowieso nicht: Damals scherte sich kein Mensch um derartige Abgrenzungen; jeder war dabei, alles war möglich, alles hatte seine speziellen Qualitäten, und sei’s auch nur der Spaß für eine Nacht. Das zu vermitteln – die fieberhafte Aufregung, das Gefühl, Zeuge und Beteiligter eines Urknalls zu sein, bei dem die Zukunft völlig offen ist und niemand auch nur ahnt, was weiter passiert -, ist noch kaum einem Buch so eindrucksvoll gelungen wie diesem.
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