Magazine – Real Life

Machen wir es kurz: Hier sind die – bislang – besten New Wave-Alben des Jahres 1978. Gemeinsam haben sie vor allem eins: Magazine und die Boomtown Rats haben sich im Freiraum zwischen der neuen Welle und dem traditionellen Rock eingerichtet und lassen sich von allen Seiten beeinflussen, ohne ihre tatsächliche Herkunft – den Punk-Rock aufzugeben. Beide haben jeweils einen höchst originellen Sound geschaffen und bestechen mit ihrem instrumentalen Können.

Kopf von Magazine ist Sänger Howard Devoto. Früher war er bei den Buzzcocks. Seine Vergangenheit streifte er ab, weil er, wie er sagt, „müde vom Lärm und knapp an Atem“ war. Seine Band – Barry Adamson (Baß), Dave Formula (Keyboards), Martin Jackson (Drums) und John Mc Geoch (Gitarre, Saxophon) – fand er vor einem Jahr mit Hilfe eines Plakates, das er in einem Virgin-Plattenladen aushängte. Erst im Herbst 1977 spielte die Band zum erstenmal öffentlich. Und nun kommt sie mit einem Debutalbum heraus, daß man ohne Hemmungen neben die beiden wegweisenden LP’s von Ultravox! stellen kann, jener Band, der Magazine noch am ehesten ähnelt.

Die Devoto-Truppe hat die Hektik, die ungestümen Rhytmen und die Ekstase des Punk nicht verlernt. Aber sie bringt dazu eine beinahe unüberschaubare Vielfalt von Rockstilen ins Spiel, die in den späten sechziger und mehr noch in den frühen und mittleren siebziger Jahren die kreative Speerspitze der Rockmusik markierten. Da spürt man Einflüsse von Roxy Music, von‘ ßowie und von den deutschen Elektronik-Bands. Mittendrin taucht dann aber plötzlich ein Riff in bester Stones-Art auf, rauscht brillanter Chorgesang vorüber, dringt eine Rhythm & Blues-Phrase der Orgel ins Gehör, decken kurze, eingängige Melodiespots den vorwärtsdrängenden, explosiven Rhythmus zu. Als Hörer hat man häufig das Gefühl, quer durch einen Orkan zu brausen und plötzlich das vergleichsweise ruhige Zentrum (das „Auge“) des Sturms zu passieren: Man spürt eine trügerische Ruhe und ahnt genau, daß es rundherum brodelt.

Magazine geht in die Beine, spricht aber mehr noch den Intellekt an. Bei den Boomtown Rats ist es genau andersherum: Sie sind, wie es ihr Sänger Bob Geldorf einmal formuliert hat, „die Tanzband der neuen Welle“. Mehr noch als auf ihrem ausgezeichneten ersten Album spielen die irischen Ratten auf „A Tonic For The Troops“ die Fähigkeit aus, Punk- und New Wave-Zutaten mit wohlbekanntem, gekonntem Pop aus den Sechzigern zu vereinen. So kommen Songs zusammen wie „Like Clockwork“, die sich ins Ohr kitzeln und dennoch viel vom Anliegen und von den Qualitäten der New Wave vermitteln, also schlicht aufregend sind. Bob Geldorf hat dazu wieder eine Reihe scharfsinniger und häufig ironischer Texte geschrieben, die die Wahrheit über den Alltag der britischen Jugendlichen (und nicht nur der) so erzählen, wie es vor zehn Jahren die Who und die Kinks vorgemacht hatten. Mehr über die Boomtown Rats stand im ME 7/78.