Morrissey :: Years Of Refusal

Englischer Pop, ebenso klassisch wie aktuell und kaum übertrefflich.

Dass „That’s How People Grow Up“ und „All You Need Is Me“ auf YEARS OF REFUSAI. noch mal drauf sind, mag auf böswillige Vertragsklauseln zurückgehen-es schmeckt trotzdem unangenehm nach „Ätsch und danke, ihr dummen Greatest-Hits-Käufer“. Auch die Rückkehr zum Produzenten Jerry Run, dessen dünn-moderne Konzeption und Mainstream-Abmischung das 2004er Morrissey-Album YOU ARE THE QUARRY nicht unbedingt veredelt hatten, weckt (zumindest bei Menschen, die Morrisseys radikalere, wagemutigere Alben bevorzugen) Befürchtungen, die allerdings größtenteils schnell verfliegen. Da muss man mehrmals hinhören und dabei die absolut ungewöhnliche Aufnahmeweise im Hinterkopf behalten: Alle Musiker stehen/sitzen und spielen gleichzeitig in einem Raum, inklusive Sänger! Dann erschließt sich auch der lawinenwüst dahinrumpelnde erste Teil des Albums, der anfangs wirkt, als wollte jemand mit Gewalt noch einmal jung und ungestüm wirken, hatte sich deshalb eine Bande von Irren geholt und die Parole ausgegeben, binnen drei Minuten das Studio abzureißen – wo doch sonst Morrisseys Alben eher immer pathetisch und lang(sam) beginnen (vielleicht ging’s aber auch darum, den Jerry-Finn-Verächtern das Erinnerungsvorurteil vom maingestreamten „America Is Not The World“ aus den Köpfen zu blasen). Kompositorisch können die ersten drei Songs mit der Vehemenz der Darbietung nicht ganz mithalten, aber die Spontanität Arms Around Paris“, das ebenso das Thema vergangene/vergebliche Liebe („only stone and steel accept my love“) aufgreift wie „Black Cloud“ (und eigentlich alle Songs auf diesem Album), das mit einem Gastauftritt von Jeff Beck renommiert, den man aber kaum hört. Jerry Finn (der kurz nach Ende der Aufnahmen einer Gehirnblutung erlag) hat viel dazugelernt und die Regler für Wärme, Natürlichkeit und Unmittelbarkeit auf zehn gedreht; manche Passagen platzen geradezu vor Details, Spielfreude und Ideen. Alain Whyte ist nur noch am Songwnting beteiligt, die Gitarren spielen die beiden anderen „musical directors“ Boz Boorer und Jesse Tobias, und am Schlagzeug sitzt neuerdings Matt Walker, ehemals Ersatztrommler bei den Smashing Pumpkins und vom öden Stampf rock seiner alten Band offenbar so genervt, dass er keinerlei Bock auf „normale“ Rhythmen hatte, sondern wirbelt und rollt, dass die schnellen Songs wie Dampflokomotiven losbrausen. Trompetenfanfaren und aller möglicher Tastenklimbim (etwas aufdringlich zickig in „Sorry Doesn’t Help“) reizen stellenweise zum „Bombast!“-Protest, und die Kitschgrenze gerät spätestens bei „It’s Not Your Birthday Anymore“ in Sichtweite, aber Morrisseys Stimmführung und seine Texte verhindern das Absinken zuverlässig.

Frank Sinatra darf aus „You Were Good In Your Time“ (für das man sich echte Streicher gewünscht hätte) noch mal kurz herausluren, „I’m Okay By Myself“ wird als Leuchtturm in die Geschichte des (Moz-)Songwriting eingehen. Und zum dritten Mal fehlen im Albumtitel die Anführungszeichen. Ob man da vielleicht doch etwas hineindeuten könnte – gar eine Versöhnung mit Welt und Realität? (Das fehlende halbe Sternchen fehlt für die mainstreamscheuen Fans; wen das nicht stört, der darf es sich gerne dazudenken).

VÖ: 13.2.

www.morrisey-solo.cam

Dossier S. 54

Discografie

Viva Hate (19S8) Bona Drap, (19901 Kill ünde (1991) Your Arsenal (1992) Vauxball And 1 (1994) Sautbpaw Grammar (1995) Maladjusted (1997) You Are The Quarry (2004) Ringleader Of The Tormentors (2006) Years Of Refusal (2009)