Nick Cave & The Bad Seeds :: Murder Ballads
Nick Cave stand ja noch nie so recht im Verdacht, mit der rosaroten Brille auf der Nase geboren worden zu sein. Im Gegenteil: Allein sein selbstzerstörerischer Umgang mit diversen unter das Betäubungsmittelgesetz faltenden Substanzen läßt sowohl auf wenig Selbstliebe als auch auf eine kaum ausgeprägte Liebe dem Leben gegenüber schließen. Und das hat sich — angefangen bei den Swamp-Punks Birthday Party bis hin zu den Bad Seeds — auch immer in seinen Songinhalten ausgedrückt. Die waren so dunkel wie die Todeszellen des Londoner Towers. Was aber kann noch schwärzer sein als schwarz in eines Menschen Leben als eben dessen gewaltsames Ende? Mord. Nick Cave hat ein ganzes Album zu diesem Thema gemacht. Und MURDER BALLADS, das jetzt — fast ein Jahr nach seiner Aufnahme in London und Melbourne — in den Läden steht, ist sein bestes Album in den 90er Jahren geworden. Denn Nick Cave besinnt sich dabei auch musikalisch auf die Fähigkeit, die er am besten beherrscht: die Beschreibung der Schattenseiten des Lebens. Anstatt sich in bonbonfarbenen, beschwingten Seemannsgesängen zu ergehen, wie er es seit seinem semi-optimistischen ’90er Werk THE GOOD SON kultiviert hat, gelingt dem 38jährigen Australier mit MURDER BALLADS ein ebenso schwarzes Meisterwerk wie weiland TENDER PREY (1988) — will heißen: ein perfektes Album aus einem Guß mit molltönenden Epen, schwer wie Gewitterwolken zwischen Country, Blues, Folk und Bar-Jazz. Das alles natürlich stark Bad Seeds-behandelt. Dazu die Stimme Nick Caves, der, wie andere bedeutende Songwriter vor ihm (Bob Dylan, Neil Young und Tom Waits), das Prädikat „Sänger“ nicht verdient und dennoch Großes leistet. Wie etwa ‚Where The Wild Roses Grow‘, sein bewegendes Duett mit Teenie-Chanteuse Kylie Minogue, das den Mord aus der Sicht von Täter und Opfer schildert — die Single des gerade vergangenen Jahres. Und ‚Henry Lee‘, ein nicht weniger eindringlicher Zwiegesang mit P.J. Harvey, bei dem ausnahmsweise Nick Cave die Rolle des Mordopfers übernimmt. Zuguterletzt entzündet Nick Cave mit der gesanglichen Unterstützung seiner illustren Gästeschar (Shane MacGowan, Anita Lane, Kylie Minogue, P.J. Harvey und Bad Seeds-Gitarrenspieler Blixa Bargeld) ein kleines Licht am Ende des Tunnels mit der Interpretation des vergleichsweise optimistischen Bob Dylan-Klassikers ‚Death Is Not The End‘. Wahrlich große Kunst.
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