Nocturnal Animals :: Regie: Tom Ford

Tom Ford begibt sich vom Olymp der Schönheit in die Niederungen der menschlichen Existenz.

Tom Ford ist vermutlich nicht der erste Name, der einem einfällt, wenn es um einen Thriller über die Niederungen der menschlichen Existenz geht, um Blut, Schweiß und Dreck, um Erniedrigung und Gewalt. Tom Ford steht für Eleganz und Schönheit, seitdem er Mitte der Neunziger Gucci rettete und sich damit als einer der Großen ins Ahnenbuch seiner Branche einschrieb. Sein Regiedebüt vor sieben Jahren, „A Single Man“, eine Adaption des schwulen Schlüssel­romans „Der Einzelgänger“ von Christopher Isherwood, das passte zu Ford: ein feuchter Traum aus Design und Stil, alles perfekt, alles maßgefertigt. Hauptdarsteller Colin Firth sagte damals, er könne sich nicht erinnern, jemals eine Falte in Fords Garderobe gesehen zu haben.

Was den 55-jährigen Texaner nun geritten haben mag, den Pulp-Fiction-Roman „Tony & Susan“ von Austin Wright zu verfilmen (abgesehen vom Bedürfnis, seiner eigenen Kindheit auf einer Ranch nachzuspüren), erschließt sich nicht auf den ersten Blick. Zudem fühlt sich der Höllenritt einer ganz normalen Familie, die von einer Bande penetranter Rednecks drangsaliert wird, auch dann nicht echt an, wenn der Terror schließlich eskaliert. Es ist, als würde jemand Sam Peckinpahs „Wer Gewalt sät“ aus dem Gedächtnis nachstellen, um einen David-Lynch-Film daraus zu machen.

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Natürlich steckt Methode hinter der Distanz des Artifiziellen. Der Plot ist – so gut er für sich funktioniert – nur ein Film im Film. So visualisiert die Kunstgaleristin Susan die Fahnen eines Romans, die ihr von ihrem Ex-Mann zugeschickt wurden, der vor langer Zeit jeglichen Kontakt zu ihr abgebrochen hatte. Während sie das Buch liest, lässt sie ihr Leben Revue passieren, das ihr zur Travestie verkommen scheint. Ihr Ehemann betrügt sie mit einer Jüngeren und gibt sich nicht einmal mehr Mühe, es zu kaschieren. Sie sitzt in ihrer Edelvilla wie in einer Festung der Einsamkeit und blickt auf ihre Existenz wie auf die ersten Bilder des Films, in denen Ford unförmige, nackte und US‑­Fahnen schwingende Frauen in Zeitlupe tanzen lässt.

Trumps Amerika, so wie Fellini es wohl visualisieren würde: ein Land der Isolation und inneren Emigration, aus dem die Hauptfiguren in beiden Erzählsträngen ausbrechen wollen. Ein endlos faszinierender Film, der Amy Adams als beste Schauspielerin ihrer Generation bestätigt.

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