Phoenix – United
Die Franzosen ziehen auf die Überholspur, legen den nächsten Gang ein und starten durch. Nach Daft Punk und Air schicken sich Phoenix an, der Aufsteiger der Saison zu werden. Galten in den letzten Jahren die Sixties mit den B-Namen (Beach Boys, Beatles, Bacharach, Byrds) als das Nonplusultra des aufgeklärten Popbesserwissers, so scheint jetzt die Zeit reif für die lohnenswerten Ausgrabungen der 70er und frühen 80er. Die vier Pariser Jungspunde von Phoenix orientieren sich dabei nicht an Glam, Punk oder New Romantic, sondern bearbeiten das lange Zeit verwaiste Feld des Edel-Pop von Steely Dan, den Disco-Studioglanz von Nile Rodgers und die Prä-HipHop-Experimente Herbie Hancocks. Dazu kommt eine Vorliebe für den AOR-Rock dieser Zeit – von den Eagles über America bis hin zu Supertramp. Was zu einem grausligen Stilmischmasch hätte führen können, funktioniert deshalb so gut, weil Phoenix eine lange nicht gehörte spielerische Leichtigkeit und Souveränität an den Tag legen, alle Stildiktate der 90er Jahre über Bord werfen und vor allem zuckersüße Pophits schreiben. In dieser Hinsicht sind sie so etwas wie die erweiterte, massenkompatible Ausgabe von Ween, weniger Insider-Klamauk, mehr Feel-Good-Partysound. Eben noch mixen sie „Rockit“ mit „Rapper’s Delight“ („Funky Squaredance“), benutzen im nächsten Moment („School’s Rule“) eine satte Rockgitarre, wie sie sich seit „Owner Of A Lonely Heart“ niemand mehr zu spielen gewagt hat, vergreifen sich schamlos an den Vocoderstimmen der Buggles, und schaffen trotzdem das Kunststück, kein bisschen Retro zu wirken. Alles klingt frisch und organisch, mit Liebe zum Detail zubereitet, nicht wie aufgewärmte Zwertverwertung aus der Tiefkühltruhe. Dazu passt es, dass Phoenix keinerlei Ambitionen haben, sich als optisches 70s-Gimmick vermarkten zu lassen. Die Plateausohlen und das Glitzerhemd geben sie gerne an Stefan Raab ab. Warum sollten sie sich auch mit Äußerlichkeiten profilieren, wenn der Inhalt allein schon die Miete wert ist? Sie sind das gute Gewissen, dass dir souffliert, dass deine Plattensammlung der 70er und 80er doch nicht auf den Müll gehört. Phoenix singen relaxed wie nach einem gelungenen Sommerurlaub von ihrem „Honeymoon“ in Hollywood, und wenn die Lage mal nicht so rosig scheint – wie im potenziellen Top 10-Hit „If I Ever Feel Better“ – üben sie Zweckoptimismus und proklamieren „Hang on to the good times“. Zwischendrin hauen sie mit „Party Time“ einen Powerpop-Knaller in die Runde, der einem den Glauben an die reinigende Macht der heiligen sechs Saiten zurückzugeben vermag, um gleich darauf in „On Fire“ mit einem herrlichen Fender-Rhodes-Piano samt Slap-Bass, Bläsersätzen und souligem Backing-Satzgesang für umgekehrte Verhältnisse zu sorgen. Und so folgt ein Höhepunkt auf den nächsten, bis man die letzte Skepsis über Bord wirft und begeistert zur Luftgitarre greift. Nur keine falsche Scham, andere tun das auch.
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