Praying Mantis – Time Tells No Lies

Der HM-Sampler METAL FOR MUTHAS strotzte vor Mittelmäßigkeit. Einen Song jedoch hatte ich mir dick angekreuzt, und das war „Captured City“ von Praying Mantis. Fiel er doch auf, da die Band nicht das „System Keule“ benutzte. Mit ihrem Debüt-Album ließ sich die Gruppe viel Zeit, zu Recht, wie andere Schnellschüsse traurig belegen. Seit Motörhead hat mir keine HM-Band so gut gefallen wie diese, obwohl beide nur sehr wenig gemeinsam haben. Die urwüchsige Kraft von Lemmy & Co. steht auf der einen Seite, mehrschichtige Arrangements und fast feinfühlige Kompositionen auf der anderen. Drummer David Potts (1977 bei Ten Years After) bleibt ein wenig abseits, das Dreigestirn Tino Troy (g, voc), Steve Caroll (g, voc) und Chris Troy (b, voc) teilt sich die Meriten. Sei’s als Autoren oder was die instrumentalen Qualitäten betrifft. Beide Gitarristen glänzen arbeitsteilig, gesangliche Ebenbürtigkeit ist Trumpf – es gibt keinen jener grellen Nur-Schreier, die so viele der neuen HM-Bands mit ihrem Unvermögen beglücken. Folge: sehr lobenswerte Koordinaten der zahlreich vorhandenen backing vocals. Ray Davies‘ „All Day And All Of The Night“ hätte man sich schenken können; kaum modifiziert, bleibt es blaß hinter den acht bandeigenen Stücken zurück. „Panic In The Streets“ und „Flirting With Suicide“ sind die Reißer dieser LP, „Lovers To The Grave“ der ruhige Gegenpol. Viele Tempowechsel entreißen TIME TELLS NO LIES stupidem Gebolze und süßlicher Schläfrigkeit. Genreübliches Macho-Gehabe? Fehlanzeige. Am Beispiel von Praying Mantis stellt sich eindringlich die Frage nach der Dehnbarkeit eines Begriffes wie Heavy Metal.