Rammstein

Live aus Berlin

Wütend

Aus einem kleinen roten Radio dringt offenbar Musik, sechs Männer lauschen mit gespannter Andacht. Drollig wirkt diese kabarettistisch gestellte Szene einer geschniegelten Herrengruppe auf dem Plattencover, wenn auch die Säulenreihe im Hintergrund von der imperialen Architektursprache eines Albert Speer flüstert. Olympiastadion vielleicht. Ist ja nix dabei. Die freiwillige und sorgsam berechnete Komik des Covers setzt sich musikalisch fort. Gewalt in allen ihren sexuellen, politischen und musikalischen Ausprägungen ist das brennende Thema, von Rammstein auf der Bühne visuell auch entsprechend umgesetzt. Live aus Berlin aber muß ohne das visuelle Element, also ohne Flammenmeere oder die üblichen homoerotischen Sadomaso-Phantasien auskommen. Derart aus dem diskursiven Kontext ausgeklammert, erscheint die Musik als das, was sie ist: Industrieller Metal, nicht nur elektrisch, sondern eben auch elektronisch verstärkt und eine ganze Ecke ungeschliffener, unbändiger als im Studio. Liebgewonnene Arrangements werden wütend gestrafft, die brachiale Dramaturgie von „Engel“ beispielsweise gerät hier genüßlich unter die Räder. Es rauscht, fiept und rollt das große R, daß es eine Freude ist. Oder eben nicht. An Rammstein haben sich die Geister längst geschieden. Zumindest für eine der beiden Parteien ist Live aus Berlin eine weitere Offenbarung – nämlich ein weiterer Schritt in den Wahn, der Rammsteins eigentliches Thema ist.