Rip Rig & Panic – God
… und, wie man im Orient immer so schön sagt, God ist great. Das erste Album dieser in England ansässigen multinationalen und vielsprachigen Band Rip Rig & Panic ist ganz einfach das aufregendste Debüt seit – na?
ARE YOU EXPERIENCED, FREAK OUT, THE VELVET UNDERGROUND AND NICO, den ersten Alben von Beefheart und von Soft Machine. Was Potential und Originalität angeht, besitzt RR&P ebensolche Klasse.
Den Kern bilden Bruce Smith (dr, perc) aus den USA, der Engländer Gareth Sager (Saxophon, Bass-Klarinette und Gesang), der Deutsche Mark Springer (Keyb, meist ak. Piano) und der Bassist Sean Oliver aus Antigua. Einige der Namen mag man vielleicht mit der Pop Group in Verbindung bringen, aber das kann man getrost wieder vergessen. Rip Rig And Panic gehen weitaus bewußter vor und sind auch nie durch die pseudophilosophische, sozialkritische Beflissenheit gehandicapt, durch die die andere Band schließlich den Bach hinunterging.
Obwohl sie kaum aus dem Teenager-Alter heraus sind, verfügen die Mitglieder von RR&P über echte musikalische Fähigkeiten. Damit allein schon wären sie etwas Besonderes zu einem Zeitpunkt, da instrumentale Fähigkeiten weitgehend mit theoretischen Konzepten gleichgesetzt werden.
Viel überraschender ist, wo RR&P ihre musikalische Vielfalt herholen. Sie reicht zum Beispiel bis tief in den Jazz (die Band benannte sich nach einer alten Roland Kirk-LP), und in GOD finden sich auch deutliche Echos von Coltrane, von Cecil Taylor oder Dollar Brand. Die Einflüsse wurden absorbiert, umgesetzt und gehen weit über den alltäglichen Avant-Gardismus eines James Chance oder der Lounge Lizards hinaus. Auf „Try Box“ kommt Gareth Sager sogar ziemlich dicht an Coltrane’s blanken Tenorsax-Sound heran.
Einen weiteren dominierenden Einfluß liefert der Trompeter/Dritte Welt-Ethnomusikologe Don Cherry. Wenn mich mein Gehör nicht trügt, ist es tatsächlich Cherry’s (unerwähnte) Trompete, die das Stück „Need (De School You)“ ziert. Zur Rip Rig-Hilfstruppe gehört auch Don Cherry’s Tochter Neneh, (die nicht zufällig mit Drummer Bruce Smith verheiratet ist. Außerdem Ari Up von den Slits und ein Gentleman namens Flash). Neneh präsentiert sich als Sängerin, oft nur mit inhaltslosem, exotischem Singsang.
Aber ich möchte hier nicht den Anteil des Jazz überstrapazieren. Die Gruppe bedient sich jeglicher Form von Musik, um ihr offenes Kompositions-Konzept zu realisieren. „Soul Spirit And Health“ und „It Don’t Mean A Thing Kit Ain’t Got That Brod“ (sie) schlagen dir wie besessen polytonalen Funk um die Ohren, während „These Eskimo Women Speak Frankly“ reiner Gospel-Spaß ist. Und „Howl“ (vielleicht mein Lieblingsstück) , ein extremes Kreisch-Gelage für Orgel und Klarinette, das von Sound-Trümmern und Splittern beherrscht wird. Und nicht ein Stück‘ klingt so, als habe man hier den Eklektizismus um seiner selbst willen bemüht. Die Stimmung innerhalb der Musik ändert sich, wie es scheint, aus einer inneren Notwendigkeit heraus. Wohin sie auch führt, die Musiker folgen ihr.
Die einzige andere Band, von der ich weiß, daß sie eine annähernd vergleichbare Ader besitzt, ist Material aus New York. Aber wo Material fast wie eine Musiker-Agentur wirken, indem sie immer nur die schwergewichtigsten Jazz-Geschütze anheuern, bauen Rip Rig ihre Fähigkeiten aus, um den Songs entgegenzukommen. Und obwohl Material im direkten Vergleich der Solisten wohl den besseren Schnitt machen würden: Mit ihrem Gespür für Wirksamkeit und dem direkten, lebendigen Optimismus haben Rip Rig & Panic die Nase vorn.
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