Roky Erickson – You’re Gonna Miss Me: A Film About Roky Erickson

Ein ins Leere starrender Blick von Roky Erickson bei der Aufzeichnung des Psychedelik-Klassikers „You’re Gonna Miss Me“ in der amerikanischen TV-Musik-Show „American Bandstand“ von 1966 sagt mehr als tausend Worte. Ergenügt, um zu verstehen, welch schwere Bürde das amerikanische Pendant zu Großbritanniens Syd Barrett schon damals mit sich herumschleppte – woran sich in den vergangenen 41 Jahren nur sehr wenig geändert hat. Regisseur Keven McAlesters düsteres Porträt You’re Gonna Miss Me: A Film About Roky Erickson über eine der gequältesten Seelen der Rockgeschichte zeigt absolut Unfassbares, Abscheuliches und Würdeloses, aber auch Mitleiderregendes und Hoffnungsvolles. Im Post-Boom der British Invasion gestartet, schnupperte der junge Texaner Erickson mit seinem Ensemble 13thFloor Elevators kurzen Ruhm, beeinflusste mit seinem hypnotischen Garagen-Beat gar die Kollegen in San Francisco und London, stürzte aber nach dem über Jahre betriebenen, nahezu täglichen Genussvon LSD und später auch Heroin ebenso gnadenlos ab wie Pink-Floyd-Gründer Barrett. Diagnose: Schizophrenie. Was folgt, ist ein Drama, das sich ein fantasievoller Autor nicht besser hätte ausdenken können: Wegen des Besitzes einer lächerlichen Marihuana-Zigarette vor die Wahl gestellt, ob Knast oder Geschlossene, plädierte Erickson für Letzteres. Diverse Ausbruchsversuche scheiterten ebenso, wie im berüchtigten Rusk State Hospital den gefürchteten Elektroschocks zu entkommen. Man wird den Eindruck einfach nicht los, dass der Staat Texas an diesem langhaarigen Jugendverderber ein Exempel statuieren wollte – zur Abschreckung der damals stetig wachsenden Drogenszene. Seine spärliche Freizeit vertrieb sich der Sänger. Gitarrist und Komponist jedenfalls mit einer Anstalts-Band aus Mördern, Psychopathen und Kinderschändern. Erst Jahre später folgte die Entlassung. In den späten Siebzigern und frühen Achtzigern vom veränderten Zeitgeist gnadenlos überrollt, führte er ein Dasein zwischen Drogen, Kleinkriminalität und Karriereankurbelungsversuchen, die immer wieder durch erneute Zusammenbrüche vereitelt wurden. Auf der anderen Seite erlebte Erickson aber auch die kultische Verehrung durch die New-Wave-Gemeinde. 1987 wurde seine Mutter Evelyn gerichtlich zum Vormund bestimmt – ein zweischneidiges Schwert, da die frustrierte, ein wenig weltfremde Künstlerin und Buchautorin nur an die heilenden Kräfte von Yoga glaubt. Schließlich erhält sein jüngster Brüder Sumner das Recht, über Ericksons Wohl zu bestimmen, der erstaunlich stabilisiert derzeit an seinem ersten Album seit Jahrzehnten werkelt. Eine ergreifende Dokumentation, die eine hoffentlich authentische Kino-Adaption nach sich zieht. Pluspunkte gibt’s für jede Menge Extras, darunter TV-Auftritte, Konzert-Mitschnitte, Lesungen sowie die kompetenten Wortbeiträge von Musikerkollegen wie Sonic Youths Thurston Moore, ZZ Tops Billy Gibbons und Patti Smith.

www.rokyerickson.net/