Album der Woche

Schnipo Schranke

Satt

Buback/Indigo VÖ: 4. September 2015

Pop, Provokation und Pisse: Das Indie- Pop-Duo macht auf seinem Debüt Krawall mit Blockflöten, Keyboard und expliziten Meta-Texten.

Nein, feministisch ist das alles nicht gemeint, das haben sie in Interviews immer ganz klar und tapfer gesagt. Tapfer, weil es so nah läge, sich als stolze, freie Frauen als Generationsmodelle zur Verfügung zu stellen: als Mädchenband, die nach dem Format von Charlotte Roche die befreite Weiblichkeit in die deutsche Popwelt posaunt.

Nach ihrem durchschlagenden, weil drastischem Indie-Hit „Pisse“ aus dem vergangenen Jahr setzten Daniela Reis und Fritzi Ernst nun auch auf Albumlänge alles daran, zu zeigen, dass man auch völlig unpolitisch über Sex, Sackhaare, Intimhygiene, durchsoffene Nächte und peinlichen Liebeskummer singen kann. „Wir schreiben Zeile um Zeile aus purer Langeweile“, heißt es im „Schnipo Song“, der direkt auf ein kurzes Intro folgt und als eine Art Eröffnungs- oder Erklärstück die eigene Musik als „neue Schule“ abfeiert. Und weil es so viel Spaß macht für alles und gar nichts zu stehen, singen sie gleich weiter: „Wir spielen nicht aus Vergnügen. Wir wollen, dass sie uns lieben.“ Klar, „Fame“ ist das erklärte Ziel, nicht aber ohne dabei auch noch mit irrsinnigem Witz und schamloser Ironie auf die Leute loszugehen. Und so bekommt man beim Hören der munter-rotzigen Songs im eigentümlichen Spannungsfeld zwischen Schlagzeug, Keyboard, Blockflöte und ausgelassenen Wortspielen vor allem ausgesprochen gute Laune. Ohne dass man immer genau weiß, woher diese Heiterkeit rührt.

Der Unterhaltungswert der Songs schaukelt nämlich wirklich wunderbar unentschieden zwischen „Feuchtgebiete“, Krawall-Schlager, Mädchenkram und HipHop-Protzerei. Dass dabei genauso gut verquere Liebeserklärungen herauskommen können („Ohne dich schaff’ ich es nicht mal mehr zu Aldi und danach wieder hierher“) wie trashige Sexfantasien („Selbst der Mann im Mond holt sich auf uns munter einen runter“), dass die Körperflüssigkeiten in den Texten mal müffeln und es dann wieder um Obstsalat geht und dass man über Sauereien so unaufgeregt-spröde singen kann wie über einen Topfhandschuh – in all dem zeigt sich auf erfrischende Weise, wie man sich über die Realität, die man besingt, gleichzeitig lustig machen und es trotzdem ganz ernst meinen kann: Weil das Leben die schönste Tragikomödie ist.