Sleepy Hollow :: Kinostart: 24.2.

Eintauchen, abtauchen. Sich treiben lassen durch bedeutungsschwangere Traumbilder, die die Sinne betören wie guter Absinth. Nur ein Tipp, wie man sich Tim Burtons bilderbuchschönen Trip durch Freudianische Märchenwelten mit bösen Stiefmüttern, verwunschenen Wäldern und kaum chiffrierten Kastrationsängsten nähern kann. Man darf natürlich auch den Kopf eingeschaltet lassen und sich SLEEPY HOLLOW einfach nur anschauen. Dann hat man vermutlich Spaß an einer milde überraschenden Horror-Werist-der-Mörder?-Geschichte, in der ein New Yorker Constable anno 1799 eine mysteriöse Mordreihe in einer kleinen Gemeinde holländischer Emigranten untersucht. Das ist okay: Die freie Adaption der Kurzgeschichte von Irving Washington über die blutrünstige Legende vom kopflosen Reiter hat all die Schocks und Stunts, die man sich von einem Film nur wünschen kann, der mit der Werbeparole „Köpfe werden rollen“ hausiert. Aber wer Tim Burton, den schrägsten aller Blockbuster-Regisseure, kennt, der ahnt, dass der findige Dekapitationsmarathon größte Wucht entfaltet, wenn man ihn mit kindlichen Augen betrachtet. Sicher, Burton spart nicht an grotesk-explizitem Gore und tiefrotem Blut, das durch die monochrom eingefärbten Bilder schneidet wie das Schwert des Reiters durch die Hälse seiner Opfer. Übermäßig spannend ist SLEEPY HOLLOW allerdings nicht. Und will es auch nicht sein. Seinen nächsten Verwandten hat Burtons Film ja nicht in BLAIR WITCH PROJECT oder THE SIXTH SENSE, sondern in BRAM STOKER’S DRA-CULA, der hoffnungslos romantischen Schreckensoper von Francis Ford Coppola. So spielt Romantik auch in dieser Hommage an den gotischen Ausstattungshorror der Filme aus den Hammer-Studios eine elementare Rolle. Romantik im Sinne von ETA Hoffmann oder Poe wohlgemerkt, voller Morbidität, Todessehnsucht und unterdrückter Sexualität. So mag sich das etwas schlichte Drehbuch von SIEBEN-Autor Andrew Kevin Walker wirklich dafür interessieren, wer im Dorf es wohl sein könnte, der den Reiter auf Mördertour schickt. Burton – noch nie der große Storyteller – geht dieser kriminalistische Instinkt ab. Dafür ist der Erfinder von Edward Scissorhands Feuer und Flamme für das Geheimnis seines bleichen Helden Ichabod Crane, der sich inmitten des Irrationalen an seine Rationalität und eigenartige Apparaturen klammert. Wie der Zuschauer muss auch er lernen, sich auf das Unerklärliche und Unterbewusste einzulassen. Johnny Depp erweckt Ichabod in einer seiner schrulligsten Performances zu aschfahlem Leben, dazu kommen Christina Ricci als ätherischer Naturgeist, ein verblüffender Todesbaum mit vaginalem Innenleben, monströse Traumvisionen, ein wahrlich exzentrischer Auftritt von Christopher Walken, Ray „Darth Maul“ Parks als waffengewandter Reiter, clevere Cameos und ein stiller Humor, der SLEEPY HOLLOW immer dann zusammenhält, wenn Burtons Konzentration zu wabern scheint wie der omnipräsente Bodennebel. Perfekt!