Solange

A Seat At The Table

Columbia/Sony/VÖ: 30.09.

Elegante Musik, deftige Botschaft: Solange brilliert mit schwebendem R’n’B und sozialpolitischem Bewusstsein.

Bei den groß angelegten Popprojekten dieser Tage drängen übergeordnete Themen und Meta-Medien das in den Hintergrund, was früher beim Album am wichtigsten war –  nämlich die Musik. Aus einer simplen Platte wird ein multiples Werk, inklusive unaussprechlicher Songtitel und Schnitzeljagden (Bon Iver) oder – im Fall von Solanges Schwester Beyoncé – Gossip und Videos. Solange geht bei diesem Trend einen kleinen Schritt mit, lässt aber keinen Zweifel daran, dass es ihr vor allem auf die Musik ankommt: Parallel zum Musikalbum erscheint ein digitales Buch mit Lyrics sowie Fotografien über selbstverständliche schwarze Schönheit.

Diese Bilder beziehen sich auf das zentrale Thema von A SEAT AT THE TABLE: Schwarze Kultur setzt seit Jahren die Standards, aber 99,99 Prozent der Menschen mit schwarzer Haut profitieren davon so wenig wie ein Obdachloser von der Steuersenkung. Diese Botschaft verpackt Solange in kurze Interludes sowie in das Essay „Do You Belong? I Do“, in dem sie unter anderem über den Besuch eines Konzerts von Kraftwerk berichtet („a band that played a pivotal role in the history of hip-hop“). Gleich zu Beginn der Vorführung bekommt ihre Gruppe (inklusive der Kinder) vom museal-gestimmten weißen Publikum unter anderem deshalb Ärger, weil sie zu „Hall Of Mirros“ tanzt – ein „DANCE MUSIC SONG“, wie sie im Blocksatz betont. Am Ende fliegen halbe Limetten, ihr Bericht lässt einen gruseln.

Es steckt also Wut in Solange. Doch A SEAT AT THE TABLE ist eben eine Einladung, keine Abrechnung. Die Musik steckt voller Eleganz und Poesie. „Cranes In The Sky“ – ein fantastisches Stück  – besitzt einen Beat wie von Questlove gespielt (der einen anderen Song co-produzierte), Streicher füllen die Flächen, der Bass schmiegt sich an, das Piano spielt Jazzfiguren – und Solange singt davon, versucht zu haben, ihre Probleme weg zu trinken, zu tanzen, zu arbeiten, zu reisen, zu weinen. Hat alles nichts genützt, am Ende bleiben die Kraniche am Himmel: „Sometimes I don’t wanna feel those metal clouds.“

„Don’t You Wait“ klingt wie die beste B-Seite der 80er, eine Rückansicht auf die Neonwelt. Bei „Mad“ ist Lil Wayne dabei, hier taucht auch das Jazzklavier wieder auf. „F.U.B.U.“ mit The-Dream nimmt die Story der afro-amerikanischen Klamottenmarke FUBU auf. Der Name steht für „For us, by us“, doch waren es weiße Kunden, die sich wie Kulturkolonialisten auf das FUBU-Zeug stürzten und die Marke dann für uncool erklärten. „This shit is from us“, singt Solange. „Some shit you can’t touch.“ Die Musik schwebt elegant. Die Botschaft sitzt.

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