Stevie Wonder :: A Time To Love

Überambitioniert und (leider) eher selten überzeugend: Das Comeback-Album des Über-Soulsters.

Visionär, der Mitte der 70er Jahre alle verfügbaren technischen (Stil-) Mittel nutzte, um Soul an seine Grenzen zu treiben und ihm einige seiner unvergessenen (Liebes-)Melodien zu schenken. Kitschiger Keyboard-Balladeur, der in den 80er Jahren selbst eingefleischte Fans in den Wahnsinn trieb (Giles Smith geißelte in seinem Buch „Lost In Music“ die „klischeehaften Akkordwechsel“ und die „Karaoke-Rhythmusbegleitung“ des Super-Hits „I Just Called To Say I Love You“ seines Idols). Erratisches, immer wieder zitiertes Idol, das nach seinem letzten Album conversation peace 1995 eigentlich (in jedem erdenklichen Sinn) als verloren galt. Einen Stevie Wonder auszumachen, ist unmöglich. Sein neues Album A Time To Love spricht auch nicht gerade gegen diese These. Doch von vorne: Der Opener, das nachdenklich dräuende „If Your Love Cannot Be Moved“, ist eindringlich wie „Too High“ und treibend wie „Don’t You Worry Bout A Thing“ (beide vom fantastischen 1973er Album innervisions). „Sweetest Somebody I Know‘, einer der besseren Mid-Tempo-Songs der 80er Jahre, exklusive Quietsche-Keyboards, aber inklusive Voice Beatbox und Mundharmonika-Solo, „Moon Blue“, eine nette Blue-Eyed-Soul-Piano-Ballade mit sanftem Beat. Doch dann trillieren über weite Strecken (Albumdauer: 78 Minuten) Flöten, kleistern Streicher und Keyboards, wird Liebe zum sentimentalen Kitschbild und unerträglich aufgeblasen. Und auch die Funk-Nummern werden glattproduziert, nur die Single „What The Fuss“ (inklusive Prince an der Gitarre und En Vogue als Backing Chor) entgeht dieser Falle. Wie überhaupt alle Songs, in denen Wonder sein erratisches Universum verläßt, das wie immer seit dem Jahr 1972 von ihm selbst produziert ist, seine wahre Größe hervorzukitzeln scheinen. Bestes Beispiel ist der grenzüberschreitende Titelsong am Schluß des Albums, in dem er zusammen mit India. Arie und Percussionisten aus aller Welt endlich neben seiner spirituellen auch wieder eine musikalische Vision predigt. Dann ist es tatsächlich Zeit zu lieben. Apropos, Giles Smith schrieb übrigens auch: „Ich bringe es nicht übers Herz, etwas, in dem Stevie die Finger drinhatte, rundherum abzulehnen.“ Dem ist – wegen einiger guter Ansätze – nichts hinzuzufügen.

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