Sun Ra

Achtung: schnell entflammbare Improvisationssatelliten, geortet vom Jazz-Kosmonauten Sun Ra. Nein, da macht es nichts, dass die Tonqualität am untersten Level ist. Denn im Rausch kommt es nicht auf Feinheiten, sondern auf die Energiewellen an. Und die müssen wohl Tsunami-gleich über das Publikum hinweggestürzt sein – als Sun Ra mit seinem Arkestra im Juni bzw. August 1972 im New Yorker Slug’s Saloon gelandet war. Wo man sich über stammesrituelle Afro-Sounds in eine psychedelische Ekstase mit Hang zum Gruppen-Jazz hineinspielte. Über zehn Minuten stöhnen Sun Ras Ladys von den „Space Ethnic Voices“ in der orgiastischen Trommelschlacht „Love In Outer Space“. Dann wieder spuken surreale Klang-Voodoo-Gestalten umher, die Sun Ra an seinem (Kurzwellen)-Keyboard halbwegs zu koordinieren versucht. Ein Abend mit diesem skurrilsten Mann der Jazz-Geschichte bedeutete immerhin kein kulinarisches Zuckerschlecken, sondern ein Vergnügen der intergalaktischen Art. Bizarr, wie Sun Ra allein hei „Calling Planet Earth“ Morsezeichen in die Tastatur hakt und danach seine Truppe zum kollektiven Improvisationsshowdown animiert. Zum ersten Mal ist der komplette Live-Mitschnitt auf sechs CDs zu haben. Um keinen Deut zahmer geht es aber auch in der ebenfalls noch nie veröffentlichten Aufzeichnung des Konzertes zu, das das Sun Ra Arkestra an Silvester 1964 in der New Yorker Judson Hall gegeben hat. Und für eine besondere Schärfe sorgte Tenor-Saxophonist Pharoah Sanders, der für den ausgestiegenen John Gilmore engagiert worden war. Neben riesigen Blendfeuerwerksraketen gab es zugleich auch radikal konzentrierte Free-Exkursionen – mit einem fulminant zehnhändigen Sun Ra am Klavier.