The Coctails – Popcorn

Es mag ja am Bandnamen gelegen haben. Vielleicht trugen auch Bühnenoutfit und Coverfotos (vier Herren in Anzug und Schlips) zur Verwirrung von Presse und Publikum bei. The Coctails wurden im Zuge der Easy-Listening-Welle gerne mal als Lounge-Jazz-Combo verkauft, wo sie doch eher der Erfindung des Prä-Postrock hätten bezichtigt werden können. Sie spielten lange Musik, mustermelancholische Epen. Sie blieben weitgehend unverstanden, gründlich unterschätzt und verkauften viel zu wenige Platten. In der Silvesternacht 1995 gab die Band ihr Abschiedskonzert. Mit Archer Prewitt verfügte das Quartett aus Chicago über einen Gitarristen, dessen Einflüsse später über The Sea And Cake und zahlreiche Kollaborationen tief hinein in die Chicago-Szene reichen sollten, doch so gut wie bei den Coctails war Prewitt nie wieder. Nun ist es mit dieser superhübsch aufgemachten Drei-CD-Box I56 Songs, über drei Stunden Musik, 48-Seiten-Booklet so: Sie enthält im gleichen Maße vergriffene Aufnahmen, Compilation- und Split-Single-Beiträge, Coverversionen von Weihnachtsklassikern und Devo-Songswie Beiträge von den sechs regulären LPs der Coctails auf Hi-Ball und Carrot Top (Schwerpunkt: HIPHIP HOORAY und das Abschiedsalbum THE COCTAILS). Eine Erstsemesterveranstaltung ist das nicht, da kommt der Coctails-Neuling mit dem Meisterstück PEEL (1994) schon deutlich weiter. Die sechs Instrumentals vom „Hello Record Club“, den They Might Be Giants für experimentierfreudige Kollegen ins Leben gerufen hatten, eröffnen die erste CD. Prewitt, Upturch, Greenberg und Phipps erkundeten 1995 die freien Felder zwischen Ambient, Rock und Jazz in ihrem Loft. Später hatten sie den Garagen-Rock entdeckt Ihier mit dem Live-Finalisten „Why“ vertreten), entwickelten Nerd-Pop im Fifties-Design mit richtigen Melodien und beförderten ihre LoFi-lnstrumentals mit Klarinette und Akkordeon, Vibraphon und Marimba in neue, schwebende Zustände, ohne je Muster der Worldmusic zu strapazieren. Klischees kannten die Coctails einfach nicht. Wenn ein Song „HipHop“ hieß, steckte dahinter die Expedition in die Historie der Blasmusik. Und wer hat je so überzeugend die Beatles auf dem Cover zitiert? Die Residents vielleicht.

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