The Flying Lizards – The Flying Lizards
Wem haben sie sich nicht eingehämmert, die beiden modernisierten Oldies „Summertime Blues“ und „Money“ aus der Londoner Gag-Hit-Fabrik The Flying Lizards. Man stelle klar, erstens ist T.F.L. Mr. Cunningham, eine Art New Wave-Phil Spector, der auch für allerlei anderes Obskur-Klanggut wie The Heat oder General Strike und The Pop Group produktionsmäßig verantwortlich zeichnet, zweitens ist T.F.L. Deborah, die Barbie-Puppen-Stimme. Und drittens ist T.F.L. der gelungene Versuch, mit (auch finanziell) geringstem Aufwand ein überraschends Ergebnis zu erzielen.
Wer nun, wie ich, gedacht hat, die würden ihr billiges Verfahren, clever gemachte Cover-Versionen, patentieren und bis ans Lebensende nach wirkungsvollen Evergreens wühlen, der irrt. Das Album der Flying Lizards ist, um es kurz und bündig zu machen, all das und doch nicht. Sie haben ihren improvisierten Kinderzimmersound beibehalten, und dabei ganz unverbildet und unbefangen Traditionelles und Verstiegenes so turbulent durcheinandergemischt, daß es, zumindest auf Seite 1 durchgehend ein wahrer Ohrenschmaus ist. Humor ist natürlich eine Voraussetzung dafür. Es geht, ganz unerwartet, los mit einer eigenwilligen Bearbeitung des Brecht/Weill-Chansons „Mandeley Song“ aus der Oper „Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny“. Brecht/Weill waren für exaltierte und experimentierfreudige Rockmusiker schon immer ein Fundus für Hochdramatisches und Kabarettistisches. Aber was in diesem „Mandeley Song!‘ geschieht, läßt einen erst mal am eigenen Gehör zweifeln. Es ist nicht die Exotik von Deborahs gebrochenem Deutsch, es ist das rasende Stakkato-Tempo, der Irrwitz von schrägem Gesang und übergeschnappter Vaudeville-Musik, die einen laut auflachen läßt. Dann folgt ein romantisches Liebeslied, eine umfunktionierte Disco-Nummer mit Sphärengesang „Her Song“, danach die neue Single „TV“, die alte Rock’n’Roll-Mittel aufgreift und sie mit T.F.L.-frecher Klangspielerei verbindet zu den blödsinnigsten Graffiti-Texten, die man sich nur vorstellen kann, trotz garantiertem Spaß allerdings nicht die griffigste Nummer. Auf „Russia“ wird’s dann in der Tat sehr kyrillisch. Es folgen der ,,Summertime Blues“ und auf Seite 2 die Dub-Version von ,,Money“, die mir persönlich lieber ist als die Chart-Form. Und dann wirds problematisch. Cunninghams Vorliebe für den elektronisierten Dub-Sound als Rhythmus-Basis für seine Klangpuzzles und Deborahs ergötzlich naiven Gesang bleibt auf „The Flood“, „Trouble“ und „Events During Flood“ reduziertes Gerüst für die augenblicklich so populäre Synthesizer-Monotonie, deren Steigerung lediglich in der hypnotischen Länge liegt. Während Leute wie John Foxx aber sehr subtil und konsequent in dieser Richtung arbeiten, erlahmt bei Flying Lizards hier das Interesse des Zuhörers. Diese fast reine Instrumental-Trilogie erscheint mir eher wie ein Versuchsballon, eine noch unfertige, offene Sache, die in die Obscure-Reihe von Brian Eno passen würde. Den Abschluß bildet das wunderschöne und bizarre „The Window“, wo Deborahs Engeist immchen wieder allerlei böse Streiche erzählt. Und das die Stärke der Flying Lizards, das Naheliegende zu ergreifen und damit zu verblüffen. Trotz einiger, persönlich empfundener Schwächen ein aufregendes Album.
Mehr News und Stories