The White Stripes :: Under Blackpool Lights
Analog ist besser: Indie-Blues-Explosion im 70s-Heimkino-Format.
Licht war schon immer ein großes Ding in Blackpool. 1879 war das Seebad nördlich von Liverpool die erste Stadt der Welt, die elektrische Straßenbeleuchtung einführte. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts erlebte es seine Glanzzeit als eine Art britische Mischung aus Coney Island und Las Vegas. Eine Attraktion fürs Volk in dieser Ära vor der flächendeckenden Reizflutung waren die prächtigen Beleuchtungen der Riesenräder und Casinos und veritable Flutlichter am Strand. Busunternehmen in der Umgebung boten sogenannte „mystery tours“ an, Ausflugsfahrten mit Überraschungsziel, von denen George Harrison in der „Beatles Anthology“ erzählt – denn diese „mystery tours“ waren es, die die „Magical Mystery Tour“ der Beatles inspirierten: „Als wir Kinder waren, lief das so: man stieg in einen Bus. mit einem Haufen Bier und einem Akkordeonspieler. Keiner wusste genau, wo es hingehen wurde, aber es war fast immer Blackpool. ‚MagicalMysteryTour‘ war im Grunde so ein Bustrip, auf dem die Leutefrüher von Liverpool rauffuhren um die Blackpool Lights zu sehen.“ Ja, solche Sachen interessieren den Pop-Nerd. Unter Urnständen. Jack White interessieren solche Sachen, und als ersein Blackpooler Publikum auf das Harrison-Zitat anspricht, ist er ziemlich genau der Jack White aus „Coffee And Cigarettes“, der mit Hingabe seinen Tesla-Generator erläutert – und Schulterzucken erntet. „You mean, l’m at the rightplace at the wrong time?“, grientet in Rund,“That’s how l feel everyday“
Am 27. Januar spielten die White Stripes im Empress Ballroom in Blackpool, und es muss Jack, dem „man out oftime“, der für seine letzte Platte nur Equipment von vor 1963 verwendete, ein inneres Newport Folk Festival gewesen sein, seine antiken Vollröhren-Amps unter dem verstuckten Tonnengewölbe dieses altehrwürdigen Saales aufreißen zu dürfen. Und wenn es jetzt eine Live-DVD von diesem gloriosen Auftritt gibt, dann muss klar sein, dass daran nur so viel digital ist wie nötig. Will heißen: Das Konzert wurde allen Ernstes – und zu großartigem Effekt mit einer ganzen Schwadron von Super-8-Kameras abgefilmt. Das sieht dann – ohne dass die MTV-sozialisierte Gemeinde auf professionelle Schnittfolgen verzichten müsste – manchmal aus wie die unschärferen, lichtarmen Passagen aus dem Woodstock-Film oder Rock-TV aus den 7oern: Wir sehen Jack und Meg in Höchstform, 77 Minuten pur und roh, fiepend und kreischend, under Blackpool lights und unter Flackern, Farbschlieren, Gebrösel im Bild, optisches Knistern quasi, sehr wohlig und sympathisch. Und der Purist White wäre nicht der Purist White, wenn dazu noch irgendwelcher Popanz gereicht würde. Früher im Kintopp gab’s auch keine „Extras“-Menüleiste. Basta. Und so soll es uns recht sein, solange die den Sound nicht mit dem Edison’schen Walzenphonographen aufnehmen. Keine Sorge: Haben sie nicht.
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