„Thor 3“-Kritik: Marvel tauscht seine Würde gegen Peniswitze


Marvel macht den Donnergott Thor zu einem kindlichen Dummkopf. Was auf dem Papier vielleicht eine gute Idee war, ist auf der Leinwand schlichtweg peinlich.

Das Marvel Cinematic Universe wird bald sein erstes großes Jubiläum feiern. Mit „Iron Man“ begann 2008 der größte Hype seit „Star Wars“,  2018 soll „Avengers: Infinity War“ im zehnjährigen Jubiläum eine Zäsur darstellen und alle bis dato veröffentlichten Filme vereinen. 18 Stück werden es bis Mai sein, inklusive dem vielversprechenden „Black Panther“, der im Frühjahr erscheint. Die Marvel Studios um Mastermind Kevin Feige haben es fast ein Jahrzehnt lang geschafft, den finanziellen Erfolg ihrer Filme zu maximieren und stets neue Nuancen und Genre-Anleihen in die Blockbuster einfließen zu lassen. Doch 2017 war alles irgendwie ein bisschen anders, Marvel (mittlerweile eine Disney-Tochter) hat sich selbst geerdet. Mit „Guardians of the Galaxy Vol. 2“ erschien ein mittelprächtiges Sequel zu einem der besten Einträge des Franchise, „Spider-Man: Homecoming“ war inhaltlich und künstlerisch nicht mehr als ein Pausensnack. Geschlossen wird das irrelevante Jahr nun von „Thor: Tag der Entscheidung“, dem mit Abstand schlechtesten Film des Superhelden-Universums.

Qualitative Ausschläge hatte die Reihe schon mehrfach. „Iron Man 2“ war ein Film ohne Elan, „Doctor Strange“ ein verfilmter Windows-Bildschirmschoner mit Whitewashing-Kontroverse. Solide Blockbuster stellte Kevin Feige aber immerhin stets auf die Beine, zur Not überstrahlten Benedict Cumberbatch oder Robert Downey Jr. Drehbuchmacken und ständig wiederkehrende Handlungsmuster.  „Thor 3“ (Kinostart: 31. Oktober) hat kein solches Schauspielkaliber zu bieten, zumindest nicht in den Hauptrollen. Chris Hemsworth und Mark Ruffalo können als Donnergott und Hulk nicht verhindern, dass Marvels neuester Eintrag schon nach wenigen Minuten völlig zerbricht.

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Dem Neuseeländer Taika Waititi wurden für den Abschluss der „Thor“-Trilogie offensichtlich viele Freiheiten gegeben. Waititi wurde zuletzt durch „Hunt for the Wilderpeople“ zum Indie-Darling, seinen direkten Humor sollte er nun auf die Fantasy-Welt  mit Göttern, Magiern und Raumschiffen übertragen, die Disney-Marktforschung hat wohl herausgefunden, dass „Thor“ sich als Comedy eignet. Nur für welche Art von Humor genau eigentlich? Waititi scheint sich dessen selbst nicht so sicher zu sein und wirft einige gute Wortwitze, Slapstick und Cameos (Matt Damon, warum auch immer) und Pimmel-Jokes auf das Publikum. An einer Stelle ist Thor von Hulks großem Penis schockiert, in diesem Moment wirft Marvel seine Würde vollends über Bord.

„Thor 3“ möchte exzentrisch und durchgehend lustig sein, wird aber schnell zur schlechten Parodie einer Parodie. Selbstreferentielle Dialoge und etwas Situationskomik haben schon viele Marvel-Heldengeschichten aufgelockert, Thor überspannt den Bogen aber schon im ersten Akt, falls man diesen überhaupt klar abgrenzen kann. Denn die Handlung scheint dem Film selbst völlig egal zu sein. Cate Blanchett kreuzt als Thors Schwester Hela nach dem Tod von Odin (Anthony Hopkins) in der Götterwelt Asgard auf und unterjocht das Volk. Während sie irgendwas von Herrschaft und fremden Galaxien erzählt, strandet Thor selbst auf einem Planeten, auf dem Gladiatorenkämpfe auf der Tagesordnung stehen. In der Arena trifft er auf den Hulk, verbündet sich mit ihm und so weiter…

Kein Interesse an den eigenen Figuren

Als Roadtrip durch das Weltall hatten die Macher „Thor 3“ angekündigt, aber im Marvel-Kosmos gilt „Captain America: The Winter Soldier“ ja auch als Spionage-Thriller. Das Roadtrip-Marketing soll wohl erklären, dass der Film in seinen zwei Stunden ständig Schauplätze wechselt und mit schwindelerregendem Schnitt erzählt ist. Es gibt selten einen kausalen Zusammenhang zwischen Szenen und Entscheidungen, die die Figuren hier treffen. In der finalen Schlacht ist „Thor 3“ sogar ganz nah dran an den „Transformers“-Filmen von Michael Bay: Überall knallt was, überall wird gekämpft – der Grund ist eigentlich egal und man schaut gefühllos zu.

Jeff Goldblum

Dass „Thor 3“ kein guter Film ist, lässt sich leicht erkennen. Schwieriger ist aber der Punkt zu finden, an dem das Projekt schiefging. Effekte und Action sind in Ordnung, Stars (die sich später schämen werden) warten in lustigen Kostümen an jeder Ecke dieses quietschbunten Universums. Eine Ursache für das Scheitern Waititis könnte sein Desinteresse an den Figuren sein, das sich am besten beim Titelhelden selbst zeigt. Thor war in den bisherigen Filmen der Reihe ein ehrenhafter Krieger, ihn quälten ernsthafte Konflikte mit seinem Bruder, in kuriosen Abenteuern fand er seinen Platz im Universum. Er war also ein Held wie es ein Film dieser Art auch verlangt, nur auf der Erde wirkte er immer etwas grobschlächtig, was schlichtweg seinem Kulturkreis entsprach. Kevin Feige und Taika Waititi haben sich fälschlicherweise nun dafür entscheiden, dass Thor ab sofort dumm ist.

Im Ensemble gibt es nur zwei Gewinner

Der Gott des Donners und König seines Volkes ist urplötzlich ein kindlicher Vollidiot, der wenig bis nichts von dem einzuordnen weiß, was um ihn herum geschieht. Chris Hemsworth wirkt wie ein nerviger Sidekick, der es irgendwie ins Zentrum des Films geschafft hat. Und der von noch mehr nervigen Sidekicks umgeben ist, die es gemeinsam auf fünf Witze pro Minute schaffen, von denen leider nur die wenigsten funktionieren. Der Film und seine Figuren nerven schlichtweg, nur zwei Schauspieler gehen als Gewinner aus „Thor 3“ heraus: Jeff Goldblum spielt den Grandmaster mit einer pointierten Exzentrik, die der Film um ihn herum vergeblich zu imitieren versucht. Und dann ist da noch der Regisseur selbst, der sich via Motion Capturing in das Steinwesen Korg verwandelt und als dieser jede Szene an sich reißt.

Wenn Waititi als Korg trocken, putzig und völlig befreit von Ironie das wirre Geschehen kommentiert, dann blitzt wieder das Talent auf, das „Hunt for the Wilderpeople“ zu einer der besten Komödien der jüngsten Zeit gemacht hat. Retten können einige gelungene Momente den Film aber dennoch nicht, Marvel muss den künstlerischen Totalausfall 2018 eben mit „Infinity War“ ausbügeln. Und sich darauf verlassen, dass die treuen Fans der Reihe den Film trotz aller offensichtlichen Schwächen wieder bis aufs Blut verteidigen werden. Ansonsten wird 2017 tatsächlich als das Jahr der Götterdämmerung in die Geschichte der Marvel-Studios eingehen.

Taika Waititi als Korg.

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Disney Marvel
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