Bei der Musik von Miles Davis erholt sich Mick Hucknall in einem Hamburger Hotelzimmer von den Fragen der Boulevardpresse: Warum er fünf Ringe trage, ob er noch mit Steffi Graf befreundet sei, was er am liebsten frühstücke …?

Am liebsten frühstückt der gewitzte Rotschopf, dessen „Red“ nicht zuletzt für seine Gesinnung steht, Maggie Thatcher. Denn der sind allein zwei Songs („Wonderland“, „She’s Got It Bad“) auf dem neuen Album STARS „gewidmet“; in „She’s Got It Bad“ zeigt der stets auf der Seite der Unterdrückten stehende Hucknall sogar Mitleid: „Nach dem Rücktritt hatte sie Tränen in den Augen, brach fast zusammen. Ich sah im Fernsehen, wie sie Downtng Street 10 verließ, weinend ins Auto stieg „

Ein kleiner Schritt für Maggie, ein großer für die Menschheit. Doch es gibt noch viel zu tun, und Mick Hucknall packt es an. STARS ist auch der europäischen Einigung gewidmet (Achtung, Eurovisionszentrale: Hier ist die neue Hymne!), und deutlicher denn je stellt der große Rote seine politischen wie musikalischen Überzeugungen in den Vordergrund, schrieb alle Titel selbst und beteiligte sich auch an der Produktion: „Keine Coverversionen mehr! Dies ist mein erstes ,echtes‘ Album — ein Statement, das ßr die Wer Jahre Bestand haben wird. Und diesmal gehen die Tributes an mich, und nicht an James Brown oder an Barr‘ Wüte. „

Keine Credits kriegte auch ein Pariser Studio, in der die erste Hälfte der Platte aufgenommen wurde: J. „Der Golfkrieg war im Gange. Direkt „* gegenüber meinem Hotelfenster, auf 1 der anderen Straßenseite, war das kuwaitische Touristenbüro, daneben die iranische Bank. Es war die absolute Terroristen-Meile. Es wimmelte von Polizei, und alle naslang gab’s Bombenalarm. Wir packten unsere sieben Sachen und zogen in ein Studio nach Venedig. „

Der Golfkrieg ging weiter, aber Hucknall ging er nicht weit genug.

„Ich war nicht gegen den Golfkrieg. Irgend jemand mußte das Eis im Mittleren Osten brechen. Das war ein Pulverfaß dort, und irgendwann hätte Saddam Israel angegriffen. Es mußte also sein. Ich beklage nur, daß die Amerikaner und Engländer den Job nicht zu Ende geführt haben. Sie sind verantwortlich für das Gemetzel an den Kurden, denn sie hätten Saddam schnappen und demokratische Verhältnisse ermöglichen müssen. Jetzt marschieren sie wieder ein — also warum zum Teufel nicht gleich so ?“

Doch Hucknall, Hobbykoch mit einem Haus in Manchester und einem Appartement in Mailand, hat in den vergangenen zwei Jahren nicht nur über die Weltgeschichte geschrieben, sondern nebenbei die Band umgebildet („Ich habe die Schwachstellen erkannt!“). Statt Chris Joyce und Tony Bowers sind der japanische Percussionist Gota und Shaun Ward am Baß dabei, und auch vom Nena-Syndrom („Wir sind eine Band!“) hat Hucknall sich verabschiedet: „Es war Zeit, daß ich aufstand und Flagge zeigte!“

Unbedingt will er auch in den neuen Bundesländern spielen; sein Song „Freedom“ ist der innerdeutschen Entwicklung gewidmet: „Ich schrieb ihn, als ich gerade aus Ost-Berlin kam und überrascht war von der Vorstellung, wie so freundliche Menschen so lange unter solch einem erschreckenden System leben konnten. Ich kann Witze über Thatcher reißen, aber in der DDR wäre man dafür ins Gefängnis gekommen. „

Zu einer eigentümlichen Berühmtheit brachte es Hucknall bereits in Polen, wo seine Kochrezepte populärer sind als die Songs des letzten, weltweit über 13 Millionen Mal verkauften Albums A NEW FLAME: „Ein Fernsehteam machte vor vielen Jahren ein Interview, und ich gab ihnen Rezepte. Jetzt traf ich den Redakteur, und er erzählte mir, daß danach fleißig gekocht wird.“

Daß er alle Zutaten sorgfältig abgewogen und die erfolgversprechenden Mixturen des souligen Popsongs kennt, davon kündet auch die LP STARS. Sternstunden halt, denn:

„Ich liege manchmal einfach auf dem Rücken und schaue in die Sterne!“

Und weil es mit Sicherheit alle wissen wollen: Mit Steffi Graf ist er noch befreundet, besuchte sie jüngst bei den Spielen in Flushing Meadows. Das vorzeitige Aus aber konnte selbst er nicht verhindern.