Richard Ashcroft, Berlin, Kulturbrauerei


Gestern und heute verschwimmen: Mad Richard als Erbverwalter und Mann der Stunde in einem.

Ein Konzert ist ein Konzert ist ein Konzert. Es sei denn, es ist ein „Showcase . Dann besteht das Publikum vorwiegend aus Fachleuten. Wenn man Pech hat, sind diese Fachleute mäkelfreudige Journalisten. Wenn man Glück hat, sind es begeisterungswillige Fans. Ein Richard Ashcroft hat natürlich Glück, und so waren beim Konzert im engen Frannz Club der Kulturbrauerei überwiegend jene 400 Fans vom Fach anwesend, die ihr Ticket zuvor bei einem lokalen Radiosender gewonnen hatten. Ein Heimspiel, gewissermaßen. Entsprechend lässig kommt der Held des Abends auf die Bühne geschlurft, sympathisch verstrubbelt, die Augen hinter der obligatorischen Pilotenbrille verborgen und den übrigen Körper in einen knautschfreundlichen Kapuzenpulli gehüllt – ganz Lippen, Wangenknochen und Selbstbewußtsein, der Mann. Zur Freude der anwesenden Kennerinnen [und zur Verwunderung ihrer männlichen Begleiter! geht’s gleich los mit einem zehn Jahre alten Klassiker, „On Your Own“. Den gefühligen Geheimtip aus Verve-Zeiten feuert Ashcroft entspannt aus der Hüfte ab. alleine an der akustischen Gitarre. Keine vier Minuten dauert es also, dann ist mehr als ein Jahrzehnt – die Band, ihre Trennung, die Wiedervereinigung, der Weltruhm. die endgültige Trennung – zusammengeschnurrt auf diesen seltsamen Typen auf der Bühne dort, der sich längst als Solokünstler etabliert hat. War da was? Hey. Richard Ashcrofts Schlagzeuger, hat der nicht mal bei The Verve gespielt?

Nein, ernsthaft:“.Mad Richard“ ist ein perfekter Erbverwalter. Wenn er sich mit seiner vierköpfigen Begleitband erst mal warmgespielt hat, klingen alte, neue und bislang unveröffentlichte Songs unverwechselbar nach: Ashcroft. Weich, sahnig, und bei allem Weltschmerz doch immer vorwärts drängend, schmiegen sich so auch die Songs vom neuen Album KEYS to THE WORLD fast fugenlos in ein Repertoire aus melodischer Midtempo-Melancholia – hätte Ashcroft das neue „Music Is The Power nicht vollmundig als seine „beste Single aller Zeiten“ angekündigt, wäre sie wohl glatt als Klassiker durchgegangen. Der eigentliche Evergreen ist dann aber doch“.Bittersweet Symphony“: Hier zieht der Künstler auch performativ alle Register, fällt auf die Knie, beschwört, vom Band werden sogar die charakteristischen Streicher eingespielt. Verweigerungshaltung sieht anders aus. Im Gegenteil: Als nach 70 Minuten der schöne Spuk vorbei und Hoffnung auf eine Zugabe für die Katz‘ scheint, kommt er doch noch einmal auf die Bühne. Mit der Akustischen. „The Drugs Don’t Work“ spielt er. Und hat doch tatsächlich die Sonnenbrille abgenommen.

www.richardashcroft.com