Rickie Lee Jones


Wer kommt zu diesem Konzert? Eine gut abgehangene Mischung aus mittelalterlichem Szene-Humus und abgeklärtem Kritiker-Inventar? Nein, im „Ritz“ dominiert überraschenderweise blühendes und vor allem weibliches Leben: Verzückt signalisieren 16- bis 17jährige Teenager mit vielsagenden Blicke hormonelle Wirbelstürme. Als der Star des Abends endlich lässig und unspektakulär die Bühne betritt, kennt die Zuneigung kaum noch Grenzen. Ihrer Band hatte Rickie offensichtlich zu Anzug und Krawatte geraten – inmitten der feschen Profis wirkt sie in ihrem altmodischen, rot gesäumten Kostüm und mit dem obligatorischen schwarzen Käppi wie die letzte Squaw eines bleichgesichtigen Indianerstammes.

Bum-bum, bum-bum“ zum Auftakt des ersten von zwei ausverkauften Abenden läßt Rickie Lee Jones ihr „Rodeo Girl“ auf dem stoischen Metronome der Fußtrommel reiten. Geschickt verknüpft sie einen leidlich repräsentativen Querschnitt durchs letzte Album FLY1NG COWBOYS mit älteren Perlen wie „We Belong Together“ oder „Coolsville“, die sie, selbstverliebl ihre Gesangsmanierismen auskostend, am Piano zelebriert.

Derweil hält sich die flexible Sechs-Mann-Band vornehm zurück, die ganz im Dienst der Meisterin in etlichen Varianten Stimmungen und Klangfarben liefert. Gänzlich überflüssig wirkt hingegen das schwarze Backgroundchor-Duo, das nur spärlich zum Zug kommt und dafür gen Schluß in den Alibi-Mittelpunkt rückt. Das war dann aber letztlich auch überflüssig.

Der Zickzack-Kurs durchs Repertoire verhindert echte Ekstase. Nur einmal kommt der Set so richtig in Fahrt – als Rickie ihrem Alt-Hit „Chuck E.’s In Love“ gleich das ausgelassene Stück „Ghetto Of My Mind“ folgen läßt: Lasziv lüpft sie den Rock, und auch ihre heftige Beckensprache läßt – irgendwie ein bißchen peinlich – an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig. Aber immerhin scheint das Geschehen jetzt richtig in Schwung zu kommen.

Doch noch einmal zieht Rickie Lee Jones die Bremse – mit einer wunderbar zurückgenommenen Version von „Don’t Let The Sun Catch You Cryin“. bevor sie sich mit dem harmlosen Mitwipper „Love Is Gonna Bring Us Back Alive“ und, wie angekündigt, ohne das übliche Zugabenzeremoniell verabschiedet. So endet der Abend der milden Durchhalteparolen von einer reifen Frau, die den Abgrund vor Augen hatte und geläutert Mut machen möchte. Waren die Botschaften von Rickie Lee Jones vor zehn, 15 Jahren nicht doch ein bisserl rebellischer gefärbt?