Robbie Williams: Einer für alle


Millionen verehren ihn, und Millionen füllen sein Konto. Doch statt sich zufrieden zurückzulehnen, treibt es den Ex-Take-Thatler immer wieder auf die Bühne.

„Seit fünf Nächten trete ich hier auf, ohne dass ich ein einziges Mal gut gebumst habe! Hat jemand Lust?!“ Robbie Williams (26) steht mit ausgestreckten Armen am Bühnenrand und blickt provozierend in die dampfige Halle. Der ausdauernde, ohrenbetäubende Jubel, mit dem die 15.000 Fans in Manchester die bombastische Show bis zu diesem Augenblick begleitet haben, ebbt für einen Moment ein wenig ab. Verunsichert vermeiden die weiblichen Anhänger Augenkontakt mit ihren Eltern oder Ehemännern. Verlockend ist das Angebot schon, schließlich haben die Leserinnen von bereits zwei britischen Magazinen Robbie zum Mann mit dem meisten Sexappeal gewählt.

Im Angesicht des Stars – und vor allem ihrer Begleiter – üben die meisten Damen allerdings Zurückhaltung. Vorbei sind die Zeiten der „Robbie, take me!“- Spruch-Banner, die Teenie-Dichte im post-TakeThat-Publikum ist drastisch gesunken: Die fast überall ausverkauften Hallen Europas und der USA besetzen nun neben einer geschrumpften Fraktion junger Mädchen vornehmlich Paare Mitte 30 und geschlossen antretende Familieneinheiten. Was nicht heißt, dass Robbies Solo-Konzerte unspektakuläre Abende der gepflegt-langweiligen Unterhaltung geworden sind. Dafür hat der Mann zu viel Grips. Und zu viel Angst, doch dazu später mehr.

Robbie enttäuscht sein Publikum nicht. Er weiß genau, welche Gimmicks Rockkonzerte über die letzten dreißig Jahre attraktiv gemacht haben, klaubt all das zusammen und bastelt daraus Superstar-Abende, die keine Fragen offen lassen: Zu Feuerwerk und Orffs „Carmina Burana“ fällt der Vorhang, zwischen blitzenden Explosionen erkennt man rechts und links silberne Statuen, Videoleinwände und einen Käfig. In einem wahren Tina-Turner-1989-Moment senkt sich eine schwebende Plattform mit den Musikern von oben aus dem Hallenhimmel, während unser Held seinem Gehege entsteigt und – Brust raus, Hintern raus – die Showtreppe runtergockelt. lm Fußball-Trikot joggt er auf und ab, springt Spagate, clownt und kaspert zu den Klängen von „Let Me Entertain You“.

Williams hat einen Hang zur Selbstironie, keine Frage. Und gleichzeitig ist er ein leidenschaftlicher, beinahe schon exhibitionistischer Performer. Diese zwei Seiten können im direkten Aufeinandertreffen immens komisch sein. Mit vollem Ernst klettert Robbie auf Monitorboxen, um sich in angeberische Rockstarposen zu werfen, und zaubert danach in perfekter Choreographie Moves im Stil von Ricky Martin aufs Parkett, die plötzlich in ein eher befremdliches Homer-Simpson-Gehampel übergehen. „Ich will singen, also haltet die Klappe“, schreit er im Adrenalinrausch, oder „zeigt eure Brüste, Ladies“. Auch andere Inkorrektheiten stehen im Zeichen des Entertainment, und so animiert er „alle Kinder und Großmütter“, mit ihm eine My-Name-Is-Eminem-Persiflage anzustimmen: „Don’t fuck with Robbie, ‚cause Robbie will fuckin‘ kill you“.

Kylie Minogue wird die Tour nicht begleiten, nur bei einem der fünf Auftritte in Manchester stolzierte sie überraschend herein. Es stört aber wenig, dass es nur eine Videoprojektion der kleinen Australierin ist, die ihrem Duettpartner in „Kids“ einen Korb gibt. Dieser feuert derweil sowieso in bester Rod Stewart-Manier Fußbälle in die Menge oder turnt mit einem Regenschirm durch Funkenregen. Nach der „Pinkelpause“ vor der Zugabe erklärt er, dass er „beinahe vergessen habe“, noch „Angels“ singen zu müssen. Diesen Job erledigen die Fans, Robbie dirigiert nur noch, verkündet dann „May the force be with you, always“ und verschwindet zum „Star War’s Theme“.

Empfehlenswert ist es, Robbie Williams auf dieser „Sing When You’re Winning“-Tour zu sehen, denn die Zukunft ist ungewiss. Trotz erfolgreicher Alkohol- und Drogensucht-Rehabilitation ist der Star zart besaitet und leidet unter dem Leistungsdruck. Die unglaubliche Energie, die Robbie live so elektrisch macht, speist sich zu großen Teilen aus Unsicherheit, aus einem Gefühl, nicht zu genügen. „So scared of what l’m doing“, „Scared of you always thinking that l’m boring“: Zeilen wie diese findet man nicht nur in „Singing For The Lonely“. Und wird das Publikum tatsächlich plötzlich bei „Supreme“ für einen Moment unkonzentriert, dann verausgabt sich Robbie in beängstigendem Ausmaß. Mit aller Kraft versucht er, in jedem Augenblick den hohen Erwartungen zu genügen. 1999 erlitt er vor einem Konzert in Irland einen Fast-Zusammenbruch: „Das Ganze war mir eine Nummer zu groß geworden. (…) Die Angst hat mich total überwältigt“, so Robbie im MUSIKEXPRESS. Es käme nicht wirklich überraschend, wenn der Megastar eines Tages die Entscheidung trifft, alles hinzuwerfen um sich selbst zu schützen. Also: Hin while he’s singing! vww.robbiewilliams.com