Ron Flieger über Dionysos


Im Jahre 2000 erschien eine Platte der Pop-Formation Dionysos. „Haïku“ hieß das großartige Werk der Franzosen, das es vermochte, die verschiedenartigsten Stimmungen und Gefühlswelten auf eine beschwingende wie erfrischende Art und Weise in sich zu vereinen.

Lo-Fi-Klangskulpturen, gepaart mit opulenten Arrangements und Synthies, sowie einer zuweilen atemberaubenden Brachialität, die seinesgleichen suchte: Im 2:35 minütigen Indie-Hit „Wet“ dominieren etwas merkwürdig anmutende Synthie-Melodien, das zerbrechliche „Wedding Idea“ besticht durch eine sagenhafte Intimität des Sängers und ein „Poissons=Stickers“ zieht den Zuhörer mit packenden Streicherarrangements in seinen Bann, die auf ein sonografisches Schlagzeug treffen – ganz groß!

Ja, diese Platte enthält wirklich ergreifende raue wie galante Momente und dabei tolle Signatur-Klänge. Neben der filigranen Produktion wartet Haïku aber vor allem mit großartigen Kompositionen auf, denn darum geht es letzten Endes ja immer: Songs in ihrer konzentrierten Schönheit zu erschaffen und diese Erhabenheit des Moments in der harmonischsten und zugleich spannendsten Form fest zu halten. Diese Platte wurde übrigens in Kalifornien aufgenommen. Sonne mag ja zuweilen durchaus förderlich sein, und dies scheint angesichts der Vielfalt und Vielschichtigkeit der Instrumentierung – Glockenspiel trifft auf Harmonika, Synthie auf Streicher, die zahlreichen (Slide-)Gitarren nicht zu vergessen – wohl auch auf diese Platte zuzutreffen. Zuweilen schwingen sich all diese Klangskulpturen dann zu explosiv-epochalen Ausbrüchen auf, wie in dem formidablen „Built For Myself“, in dem die pure Essenz der Kraft nur so aus den Lautsprechern brüllt.

Dass französische Bands mitunter Wahnsinnsplatten abliefern ist ja nicht unbekannt, man denke nur an Phoenix oder Air, die auch international extrem erfolgreich sind. Ich war ja eigentlich immer mehr den britischen Einflüssen wohl gesonnen, liegt wohl auch daran, dass ich in England in jungen Jahren zeitweilig zur Schule gegangen bin. Aber Musik ist größer als all das und diese Platte damals Wahnsinn, sowie heute immer noch, und so habe ich sie früher in mich aufgesogen und höre sie auch heute noch gerne von Zeit zu Zeit – neben tollen aktuellen Lieblings-Scheiben von Broken Bells, Florence And The Machine und anderen …