Roxy Music – Die totale Show


Vor dem Auftritt haben wir uns noch kurz unterhalten.

SIEBEN FRAGEN AN ROXY MUSIC

Viele Leute haben Euch mit Sha Na Na verglichen. Was meint Ihr dazu?

Wir finden nicht, dass wir irgendetwas mit ihnen gemeinsam haben. Wenn du uns heute abend auf der Bühne siehst, wirst du diesem Gerücht keinen Glauben mehr schenken. Sha Na Na ist eine dufte Gruppe, aber wir sind total anders.

Auf weiche Gruppe steht Ihr besonders?

Wir finden die Beatles noch immer grossartig. Es mag zwar viele Musiker geben, die besser sind als John, Paul, George und Ringo, aber als Gruppe, als Gemeinschaft, waren sie fantastisch.‘ Das ist es, was wir auch erreichen wollen: Wir wollen als Gruppe anerkannt werden, nicht als Individuen. Es gibt zu viele Gruppen, die auf der Bühne Ego-Shows abziehen. Die jammen eigentlich bloss und vergessen dabei ganz, dass sie je nicht für sich, sondern für’s Publikum spielen sollten.

Wann können wir mit der nächsten Roxy-LP rechnen?

An der wird gerade schwer gearbeitet. Wann sie veröffentlicht wird können wir allerdings im Moment noch nicht sagen.

Kennt Ihr deutsche Gruppen?

Ja, Amon Düül, Can, Tangerine Dream, die Les Humphrey’s Singers. Aber diese Gruppen kennen wir alle nur dem Namen nach. Paul kennt John Lawton von den Humphrey’s Singers, er hat früher mal mit ihm zusammen in einer Gruppe gespielt.

Ihr seid in sehr kurier Zeit zur Topgruppe avanciert. Glaubt Ihr, dass auch Gruppen vom Kontinent es scharfen könnten, sich in GB durchzusetzen?

Ja, das müsste schon möglich sein. Focus z.B. haben es ja‘ schon geschafft. Bei ihnen liegt der Fall allerdings auch ein bisschen anders. Sie haben es leichter, weil sie hauptsächlich eine Instrumental-Gruppe sind. Bei den meisten Gruppen vom Kontinent hapert es ja an den Vocals und den Texten, weil sie als Ausländer die englische Sprache nicht so perfekt beherrschen wir wir.

Wie fühlt man sich, wenn einem so plötzlich der Durchbruch gelingt?

Wir freuen uns natürlich. Finanziell geht es uns allerdings nicht so grossartig, wie manche Leute vielleicht glauben. Je grösser eine Gruppe wird, desto mehr Ausgaben hat sie. Auf unseren Tourneen verdienen wir gerade soviel, dass wir die Unkosten decken können. Das dicke Geld haben wir also noch nicht gemacht. ..

Und wann kommt Ihr nach Deutschland?

Wahrscheinlich schon sehr bald. Wenn alles klappt, findet unsere erste Deutschland-Tournee im März oder April statt.

Der ‚Greyhound‘ ist eine bekannte Halle im Londoner Vorort Croydon. Als ich den Saal betrete, bin ich ein bisschen enttäuscht. Er ist sehr klein und erinnert mich an eine Schulaula. Die Bühne ist winzig und ich frage mich, wie Roxy Music hier ihre berühmte Show abziehen wollen.

Kurz nach 19 Uhr ist es im ‚Greyhound‘ noch leer und ruhig. Die Roadies haben gerade die Anlage aufgebaut. Eno, Phil, Andy, Paul und Rik kommen herein, um den Sound zu checken. Dass der Saal so klein ist, beunruhigt sie nicht. Andy: „Naja, es ist wirklich etwas eng hier. Aber das macht nichts, der Kontakt zum Publikum wird dadurch noch besser sein“.

Eine halbe Stunde später. Der Sound stimmt. Roxy Music sitzen in der Garderobe und begrüssen mit lautem Hallo ihren Sänger Bryan Ferry, der sich etwas verspätet hat.

Als kurz nach acht im ‚Greyhound‘ die Lichter ausgehen, ist der Saal gerammelt voll. In der ersten Reihe sehe ich Mitglieder von Amon Düül sitzen. Daneben die Roadies von Atlantis. Das Publikum, stelle ich fest, ist hier ziemlich jung. Ganz vorn stehen ein paar Mädchen im Roxy-Look: Stark geschminkt, Glitterkleidung und Glitter im Haar. Als die sechs Jungen die Bühne betreten, ist es sekundenlang ganz still. Ein irres Bild, diese sechs Typen mit den angemalten Augen und den extravaganten Klamotten! Und dann, als sich alle von der Überraschung erholt haben, braust der Beifall auf. Es wird geklatscht, geklatscht und geschrien.

BEI ROXY MUSIC STIMMT EINFACH ALLES

Die nächsten 80 Minuten wird vermutlich keiner, der dabei war, so bald wieder vergessen. Roxy Music spielen fast alle Stücke ihrer LP und sie spielen sie ebenso perfekt wie auf der Platte. Hier stimmt einfach alles. Jede Geste, jede Bewegung, jeder Ton sitzt. Bryan läuft schon nach der ersten Nummer der Schweiss über’s Gesicht. Eno schwingt das Tambourin und tanzt dabei wie ein Diva. Rik ist der einzige, der ruhig bleibt, er hält sich die ganze Zeit im Hintergrund. Paul tobt sich am Schlagzeug aus, er ist ein irrsinnig guter Drummer. Phil, heute ohne seine Super-Brille, spielt Gitarre und lächelt dabei. Er wirkt unheimlich freundlich. Aber am meisten überrascht mich Andy. Neben Eno ist er die auffälligste Erscheinung der Gruppe. Er ist sehr gross, hat kurze schwarze Haare, in die vorne eine silberne Strähne eingefärbt ist und trägt einen engen grünen Anzug. Während man im allgemeinen Bryan Ferry als musikalischen Kopf bezeichnet, ist es auf der Bühne Andy, der die Fäden in der Hand hält. Er ist die dominierende Persönlichkeit und sein elektrisch verstärktes Saxofon ist für den Sound der Gruppe besonders wichtig.

Das Publikum geht von Anfang bis Ende mit. Andy hat rechtbehalten: Hier, in diesem kleinen Saal, ist der Kontakt zu den Leuten viel besser, als in einer Riesenhalle.

Eine solche Publikumsreaktion habe ich lange nicht mehr erlebt. Alles tanzt, klatscht und stampft mit. Überall sieht man erhitzte, fröhliche Gesichter. Im stillen vergleiche ich die Leute hier mit dem deutschen Publikum, das immer soviel Wert darauf legt, möglichst cool zu sein und zu einem solchen Freudensausbruch wahrscheinlich nicht fähig wäre. Schade eigentlich, denn eine gute Atmosphäre ist, das sehe ich hier, ebenso wichtig wie der Auftritt der Gruppe.

Nach der letzten Nummer verwandelt sich der Saal in einen Hexenkessel. Man will noch mehr hören. Die Jungen sind müde und erschöpft, aber sie müssen noch einmal auf die Bühne. Als Zugabe spielen sie ‚Virginia Piain‘. Sie werden mit stürmischem Applaus belohnt.

The Show ist over. Roxy Music ziehen sich für eine Atempause in die Garderobe zurück. Während sich draussen der Saal leert, beginnen Bryan, Eno, Andy, Paul, Rick und Phil sich umzuziehen. In einer Stunde geht die zweite Vorstellung los. Eigentlich wollte ich jetzt nach Hause gehen. Aber Roxy Music haben mich unheimlich angetörnt. Ich sehe mir auch noch den zweiten Auftritt an …