Rückwärtiger Trend in Bukarest: Verkehr statt Sport im Stadtzentrum


„Reclaiming the streets“ nennt sich eine Bewegung, die den öffentlichen Raum für Anwohner zurückzuerobern möchte. In Bukarest geht der Trend jedoch in eine andere Richtung.

Seitdem in das menschliche Bewusstsein vorgedrungen ist, dass nicht nur die Industrialisierung vorangetrieben werden muss, sondern in diesem Zuge auch der Umweltschutz nicht zu vernachlässigen ist, wird fleißig zurückgerudert. Nachhaltige Architektur, Urban Gardening, kostenpflichtige Plastiktüten, Tier- und Naturschutzorganisationen – die Möglichkeit sich auch als Individuum zu engagieren und einen Beitrag zu leisten sind groß.

Ein Faktor, der sogar gesundheitliche Schäden mit sich bringen kann,  ist der Verkehr in Ballungsräumen wie (Groß)Städten. Ein von Smog verdunkelter Himmel ist auch in Deutschland kein fernes Bild mehr, das uns aus Mexiko-Stadt oder Peking erreicht, sondern war Anfang des Jahres, als es zum Feinstaub-Alarm in Stuttgart kam, ganz nah an uns herangerückt. Es wurde die Bitte geäußert, PKWs stehen zu lassen und auf Bus und Bahn umzusteigen.

Wie die Stadt Barcelona 60% ihrer Verkehrsflächen von Fahrzeugen befreien will
In Paris wurde diese Idee als monatlich wiederkehrendes Event etabliert – jeden ersten Sonntag im Monat wird die weltbekannte Shopping- und Flaniermeile Champs-Élysées zur autofreien Zone. Selbst im indischen Mumbai und in Teilen Südamerikas wird auch von Bewohnern zum Umstieg auf Fahrrad, Skateboard und Bahn gebeten. In Barcelona wird an sogenannten „Superblocks“ gearbeitet, Verbünde aus mehreren Häuserblocks, dessen Straßen für Fußgänger zur Verfügung stehen und von Kraftfahrzeugen nur im Notfall oder für Lieferungen befahren werden dürfen.

PARIS, FRANCE - 2012/08/18: Tourists in Avenue Champs-Elysee with Arc de Triomphe in the background. (Photo by Pawel Libera/LightRocket via Getty Images)
In Paris wird die Avenue des Champs-Élysées an manchen Sonntagen von Fußgängern zurückerobert

Auch in der rumänischen Hauptstadt Bukarest wurde die Idee einer „Rückeroberung“ der Straßen durch die Anwohner begrüßt. Nur so konnte ein Projekt wie „Via Sport“ umgesetzt werden. An Sommerwochenenden wird der zentral gelegene „Șoseaua Pavel Dimitrievici Kiseleff“, ein Boulevard, ab 22 Uhr freitags bis Sonntagnachmittag auf einem zwei Kilometer langen Abschnitt für den Verkehrt gesperrt. Die Flächen stehen den Anwohnern für sportliche Aktivitäten wie Tischtennis, Basketball und Fussball zur Verfügung.

Doch damit ist jetzt Schluss. Die seit Juni amtierende Bürgermeisterin Gabriela Firea sieht die Mobilität durch Veranstaltungen wie „Via Sport“ bedroht. Im Juli sollen die Veranstalter eine Mitteilung erhalten haben, dass die Event-Reihe für vier Monate aufgrund von Bauarbeiten ausgesetzt werden müsse.

„Auch dieses Wochenende wurde die Hauptstadt vom Verkehr blockiert, aber nicht etwa, weil es zu viele Autos gibt, sondern da viel zu viele Veranstaltungen auf den Straßen im Zentrum genehmigt worden sind – sei es nun aus dem Bereich Kultur, Unterhaltung oder Sport. In anderen europäischen Städten passiert so was nicht“, argumentierte Firea in einem Interview.

Das Zentrum der Stadt soll auch an Wochenenden frei für den Verkehr bleiben.
Das Zentrum der Stadt soll auch an Wochenenden frei für den Verkehr bleiben

Während in den meisten Städten der Fokus auf weniger Verkehr, mehr Veranstaltungen und Freizeitmöglichkeiten für Bewohner liegt, scheint es in Bukarest eine rückwärtige Tendenz zu geben – mit ausdrücklicher Genehmigung aus dem städtischen Rathaus.

Auch Proteste der Anwohner scheinen im Nichts zu verpuffen. Gabriela Firea blieb bei ihrer Entscheidung und sagte in einem Interview, sie könne nicht verstehen, dass ein Unternehmen fünf Leute hartnäckig auf der Straße behalten will, obwohl sie damit tausende Leute in Fahrzeugen blockieren würden. Viele Organisatoren und Anwohner sind nun besonders skeptisch und fürchten auch das Aus von weiteren Outdoor-Events oder die Verlagerung aus dem Stadtzentrum in die Randbezirke. Einen Umzug sieht die Bürgermeisterin auch im Fall von „Via Sport“ als Lösung. Doch der neue Ort, der den Veranstaltern der Sportreihe von der Stadt geboten wurde, liegt weit außerhalb und befindet sich nicht in der Nähe einer U-Bahn- oder Bus-Station.

Bis jetzt ist „Via Sport“ das einzige Straßenprojekt, das pausieren muss. Und genau aus diesem Grund hält sich das Gerücht, dass Firea die Sportveranstaltung gezielt aus dem Weg räumen möchte, da sie den Verkehr zum Sitz ihrer Partei PSD, der sich in der Nähe des Boulevards befindet, an Wochenenden einschränkt.

Pawel Libera
Walter Bibikow Getty Images/AWL Images RM