Rumblefish


Neben Steven „E.T.“ Spielberg und George „Star Wars“ Lucas ist Francis Coppola das dritte Wunder-„Kind“ des Neuen Hollywood. Immer wieder hat er für Überraschungen gesorgt, hat mit Filmen wie „Der Pate I und II“ oder „Apocalypse Now“ Millionen verdient und sie wieder verloren, hat sich immer wieder aufgerappelt und weitergemacht. Von den drei Wunderknaben ist er mit Sicherheit der künstlerisch ambitionierteste – und der besessenste. Was er mit seinem 11. Film „Rumblef ish“

einmal mehr beweist.

Wie schon in Coppolas letztem Film „Outsiders“ geht es auch hier wieder um Jugendliche. Die Story spielt in einer Stadt in Oklahoma; dort wurde der Film auch gedreht. Im Mittelpunkt stehen der 17 Jahre alte Rusty James (Matt Dillon, der bereits in den „Outsiders“ die Hauptrolle spielte) und sein älterer Bruder, den man nur „The Motorcycle Boy“ nennt (Mickey Rourke). Als Vorlage zu „Rumblefish“ diente wiederum ein Roman der amerikanischen Schriftstellerin S.E. Hinton, die auch schon „The Outsiders“ geschrieben hatte.

Rusty James und sein Bruder stammen aus ärmlichen Verhältnissen; die Mutter ist schon vor langer Zeit abgehauen, der Vater (gespielt von „Easy Rider“ Dennis Hopper) säuft sich seitdem zielstrebig ins Grab.

Rusty bewundert seinen Bruder, möchte so sein wie „The Motorcycle Boy“, der einst respektierter Anführer aller Straßengangs war. Doch der ältere Bruder hat sich seitdem verändert: Die meisten halten ihn schlicht für verrückt.

Aber auch Rusty ist aus Mangel an Zielen und Orientierungshilfen drauf und dran durchzudrehen. Wohin? Was tun? Wie zu sich selbst finden? Am Ende löst ein Polizist die Probleme mit einer Kugel.

„Rumblefish“ nennt man winzige siamesische Kampffische, die sich augenblicklich gegenseitig zerfleischen, wenn man sie zusammen in ein Bassin steckt; stellt man ihnen einen Spiegel in das Wasser, so attakkieren sie aar ihr eiaenes SDiegelbild. So drückt der Titel symbolisch aus, um was es in dem Film inhaltlich geht: Den in Dreck, Müll und kaputten Verhältnissen groß gewordenen Jugendlichen aus der „falschen Seite der Stadt“ bleibt kaum 1 mehr, als andere und sich selbst zu zerstören.

Francis Coppola freilich ging es um mehr als nur eine oberflächliche und actionreiche Teenager-Story. Er will das Innenleben der Jugendlichen zeigen ihre Sehnsüchte, ihre Wünsche, ihre Träume. Und die sehen ganz anders aus als das coole, gewalttätige Auftreten, daß diese hartgesottenen Kids an den Tag legen.

So wurde „Rumblefish“ trotz rasanter Action- und Kampfszenen kein naturalistischer Film: Immer wieder tauchen die Figuren aus Nebel- und Rauchschwaden auf. die aus dem Nichts zu stammen scheinen; Teile des Films sind übrigens in Schwarzweiß gedreht. Man hat den Eindruck, sich in einem Traum zu befinden, der oft genug in einen Alptraum umschlägt. Da gibt es dann auch Uhren, die keine Zeiger haben, und Gespräche mit dem Tod.

Wenn man so will, dann ist „Rumblefish“ ein expressionistischer Film in der Tradition alter deutscher Stummfilme wie „Das Kabinett des Dr. Caligari“, „Der Golem“ oder „Die Nibelungen“. In der Tat haben Coppola und sein Team diese Filme vor den Dreharbeiten zu „Rumblefish“ immer wieder studiert. Für amerikanische Kritiker ist Coppolas neuer Film jedenfalls ein Meisterwerk: „Für mich gehört .Rumblefish'“. so schrieb Michael Ventura in „LA. Weekly“,

„neben .Apocalypse Now‘ und .Der Dialog‘ zu Coppolas größten Werken. „

Zwei prominente Musiker waren übrigens an „Rumblefish“ beteiligt: Tom Waits spielt einen exzentrischen Billiardhallen-Besitzer, und Stewart Copeland, Drummer der britischen „Police“, lieferte den Soundtrack. Dazu benützte er unter anderem Tonband-Schleifen von natürlichen Geräuschen, die er selber aufnahm und montierte.

Während „Rumblefish“ erst jetzt bei uns in die Kinos kommt, hat Francis Coppola bereits wieder zugeschlagen: Für 55 Millionen Dollar, so geht das Gerücht, hat er mit Richard Gere in der Hauptrolle den Film „Cotton Club“ abgedreht. Wenn die Zahl stimmt, dann ist „Cotton Club“ der teuerste Film, der je gedreht wurde. Jürgen Stinnes Kinostart: 10. August