Sarah Kuttner – Die Kolummne


Der Sommer ist ein Loch.

Ehe man sich s versieht, ist man reingeplumpst, sitzt drin und guckt doof raus. Ach nee, geht ja gar nicht. Das Sommerloch ist nämlich tief, da sieht man gar nix mehr. Und schreien hilft auch nicht, weil alle anderen Kinder oben laut Ball spielen und schlimme Sommermusik hören. Die einzige Möglichkeit, diesem Sommerloch zu entkraxeln, besteht darin, unlautere Gedanken anzustellen. Zum Beispiel diesen: Herbert Grönemeyer hat zur WM in Deutschland (ältere Leser erinnern sich vielleicht] einen bei ihm in Auftrag gegebenen Fußballsong komponiert. Wie alle in Auftrag gegebenen Funballsongs taugt das Lied nichts. Vorne klingt’s wie Grönemeyer also angestrengt) und hinten wie Grönemeyer, wenn er sich anstrengt. Hm. Früher war Auftragskomponist ein ehrbarer Beruf. Ganz früher, meine ich selbstverständlich. Mag sein, daß ich jetzt historischen Mumpitz verfasse, aber es gilt nun mal das schlimme Loch zu füllen, und da ist historischer Mumpitz weitaus legitimer als z.B. Mumpitz zum Thema Genforschung oder ein Langweiliger Text über Eier o.a. Früher, in den Glanzzeiten der Auftragskomponiererei, kam, galopp-galopp, ein Bote des Königs beim besten Komponisten des Landes vorbeigeritten und verlas in der finstren Stube eine königliche Anordnung, der zufolge der Auftragskomponist schleunigst etwas zu komponieren habe. Sagen wir: eine schmissige Mitschnippnummer zur Vermählung der Königstochter oder irgendwas anläßlich des neuen königlichen Wappens. Ein Beutel mit Talern wechselte den Besitzer („Die zweite Hälfte gibt’s hinterher!“), und der Auftragskomponist machte sich ans Werk. – Ich will ja dem Herbert Grönemeyer nichts Schlimmes. Aber ich glaube, hätte er damals irgendeinem grimmigen König diese Fußballnummer abgeliefert – hui.

da hätte er zur Strafe in Bochum Currywürste nachsalzen dürfen, bis er schwarz geworden wäre. Und das wäre noch eine glimpfliche Strafe für den bitte nie wieder zu parodierenden Deutschrock-Titan gewesen. Apropos „Currywürste in Bochum nachsalzen „: Gibt es heutzutage eigentlich noch die sogenannten Ferienjobs? Oder sind die ausgestorben, weil man an Jugendliche, die mit sinnloser Arbeit Sommerloch und Portemonnaie zu füllen gedenken, angesichts der horrenden Arbeitslosigkeit nichts mehr zu vergeben hat? Ich finde ja, man hätte sich diesen Fußballsong besser bei irgendwelchen Computerfrickeljugendlichen zu Hause am Laptop zusammenschrauben lassen sollen, da wäre was besseres rausgekommen. Herbert Grönemeyer hätte im Gegenzug einen Ferienjob bekommen. Als Kellner in einer Saisonkneipe zum Beispiel, die „Sommerloch o.a.“ heißt. Ich will hier übrigens keinen Streit mit Herbert Grönemeyer anfangen, der ja sicher begeisterter Leser meiner kleinen Kolumne ist. „Mensch war ein toller Song, und der Grönemeyer ist, glaube ich, ein netter Mann, er hätte nur den blöden Fußballsong nicht komponieren sollen. Andererseits: So hat wenigstens Stefan Raab nicht den Zuschlag gekriegt. Ganz andererseits soll niemand den Zuschlag kriegen, denn Gewalt ist doof und schlecht gekleidet (vgl. auch: Hooligans). So, ein Stück des Lochs wurde in den soeben verschwendeten Zeilen liebevoll gefüllt. Den Rest mögen nun bitte in den verbleibenden Lochmonaten andere tun: entlaufene Tiere zum Beispiel. Oder auch immer gern durchs Loch gejagt: unvorteilhaft fotografierte, eigentlich aber immer vorteilhaft aussehende Prominente am Strand. Oder Ahmadinedschad mit Moonboots.