Slim Fast


Er galt jahrelang als das Vorzeige-Party-Animal der Britischen Insel, mit einem Auftreten, das ähnlich rumpelig und in seiner charmanten Präsenz ähnlich überwältigend war wie seine Musik. Mr. Norman Cook (37) war nicht nur der Funksoul Brother, nicht nur der Pate des Big Beat – der ehemalige Gitarrist der Housemartins war schlicht und ergreifend Fatboy Slim und als solcher einer der erfolgreichsten DJs und Produzenten auf diesem Erdball. Doch heute? Zwei Jahre sind seit dem Überschallerfolg von „You’ve Come A Long Way, Baby“vergangen, und plötzlich überrascht Fatboy Slim mit der trancigen Single „Bird Of Prey“, in der ein gesampelter Jim Morrison vom Sterben singt. Plötzlich lädt sich der einsame Produzenten-Wolf Norman Cook Gäste ein und nimmt Tracks auf, die seinen Sound in ungewohnt einfühlsame Gänsehautbereiche transportieren. Sollte die neue Sanftheit in der für Dezember geplanten Vaterschaft ihre Ursache haben? Wechselt der Rave-Rüpel nun ins Fach „treu sorgender Familienvater“? Fragen über Fragen also an einen ganz erheblich verkaterten Norman Cook, dessen Tag noch immer um 16 Uhr beginnt und erst gegen 10 Uhr morgens endet.

Du hast auf dem neuen Album erstmals mit live-haftigen Sängern und nicht nur mit vokalen Sample-Fetzen gearbeitet: Macy Cray hat für dich gesungen, Bootsy Collins und sogar Jim Morrison. War es einfacher mit einem toten Sänger, oder hat es mit den lebenden Performern besser geklappt? Oh, tote Sänger zählen zu den Musikern, mit denen man am besten zusammenarbeiten kann. Sie sind niemals zu spät und kommen auch nie besoffen ins Studio. Aber du bekommst natürlich erheblich mehr an schönen Momenten von den lebenden Personen zurück.

Du bist also durchaus bereit, dich auf die Egos anderer Leute einzulassen?

Manchmal ist das Ergebnis besser, wenn zwei an einer Sache arbeiten. Auch wenn sich der Produktionsprozess dadurch länger hinzieht und man einen gigantischen Aufwand hat, bevor man die betreffenden Leute endlich mal kontaktiert. Außerdem treiben diese aufwendigen Kooperationen die Produktionskosten eines Albums in unfassbare Höhen. Diesmal mussten wir zwei Flüge nach LA. zahlen und kamen mit der Studiomiete ganz schnell auf 15.000 Pfund.

Was hat dich gereizt an dem Vocal-Track, aus dem dein Song „Bird Of Prey“ entstanden ist? Bist du fasziniert vom Mythos Jim Morrison?

Nein, überhaupt nicht. Ich mag zwar die Doors, bin aber eher einer von diesen Fans, die die drei wichtigsten Alben besitzen und das war es dann. Ich glaube, dass dieser Track auf einer von den Box-Sets versteckt war. Das heißt, dass er zwar den Hardcore-Fans bekannt ist, aber die meisten Menschen werden ihn noch nicht gehört haben. Das war wichtig für mich. Oder anders gesagt: Ich hätte niemals „Light My Fire“gecovert.

Gehörst du demnach zu den Leuten, die niemals Samples aus berühmten Songs oder von bekannten Personen benutzen, weil an ihnen immer auch ein umfangreicher Kontext dranhängt?

Sofern es um bekannte Songs geht. Aber wenn die Person bekannt ist, wird dies das Resultat nicht spürbar beeinflussen.

Aber du siehst doch bereits jetzt das Ergebnis: Plötzlich fragt dich jeder nach deiner vermeintlich obsessiven Faszination an Jim Morrison.

Und es geht sogar noch weiter. Ich habe neulich ein Interview gegeben, für das mich Leser per e-mail befragen durften. Allein sechs Fans von Jim Morrison haben diese Gelegenheit genutzt, um mir deutlich zu verstehen zu geben, dass ich es noch nicht einmal wert bin, den Dreck von seinen Stiefeln zu lecken. Ober solche Dinge habe ich vorher nie nachgedacht.

Was war das für ein Gefühl, als du dich nach zwei Jahren Pause wieder an die Arbeit gemacht hast schließlich wirst du als der Erfinder des Genres Bigbeat angesehen und dein Sound wurde aufgrund des Erfolges unsagbar oft kopiert. Hat man da als Künstler nicht das Gefühl, dass man gar nicht mehr zu den eigenen Wurzeln zurück kehren kann?

Da ist was dran. Wobei ich mich selbst nicht als Erfinder dieser Sache sehen würde, denn die Chemical Brothers oder The Prodigy haben schon vor mir damit angefangen. Aber da ich zwei Jahre lang kaum etwas produziert hatte, war mir von Anfang an klar, dass ich auf keinen Fall wieder so klingen wollte, wie zu Zeiten von „You’ve Come A Long Way, Baby“. Diese Sache war mit dem Album abgeschlossen,damit war es dann auch vorbei. Wie bei einem Witz: Der ist auch nur einmal lustig.

Gab es also kleinere Panikattacken, als du dir Gedanken über deinen zukünftigen Sound machen musstest?

Nein, ich habe die Arbeit am neuen Album nicht als schwierig empfunden. Es war nur ein sehr langer, sehr detailbezogener und damit auch sehr langsamer Prozess.

Dieser hat dir offensichtlich geholfen, deine Musik auf den Punkt zu bringen, während du gleichzeitig alle Gimmicks rausgeschmissen hast.

Diesen Überfluss an Gimmicks hatte man mir schon bei den zwei Vorgänger-Alben vorgeworfen. Bei mirfunktioniertdas immer so, dass ich die Gimmicks oder Soundspielereien erst ganz am Ende der Produktion in denTrack einbaue. Beim aktuellen Album habe ich die Tracks zunächst arrangiert, dann haben wir produziert und dann kam der Punkt, an dem mein Toningenieur wie üblich mit dem Kommentar aus dem Studio gegangen ist, dass er mich für die nächsten vier Stunden allein lässt, damit ich das ganze Sound-Feuerwerk einbauen kann. Aber ich hatte keine Lust darauf. Und das war gut so.

Wie schreibst du deine Tracks? Analysierst du deine Musik sehr intensiv und blickst zurück auf das, was du bis dato geschaffen hast?

Ich analysiere nie irgendetwas, wenn ich Musik mache. Ich fange aber immer mit einem Hook an, denn es ist lächerlich einfach, einen guten Drumbeat zu basteln. Der Hook jedoch ist das Element, das eine simple Idee von einem guten Track unterscheidet. Früher habe ich es umgekehrt getan, doch heute gilt, dass ich die komplizierten Dinge immer am Anfang schreibe. Aus diesem Grund macht das Remixen eigentlich auch so viel Spaß, denn hier hat irgendjemand den kniffligen Teil der Arbeit schon erledigt, und du kannst dir überlegen, wie du die einzelnen Elemente neu bearbeitest.

Kümmerst du dich während einer Produktion überhaupt darum, was an musikalischen Dingen so im Rest der Welt passiert?

Wenn ich an meinen Tracks arbeite, dann schließe ich mich zum größten Teil in meinem Kämmerchen ein. Aber auf der anderen Seite bekomme ich als DJ mindestens fünf Platten pro Tag zugeschickt. Und weil ich nicht nur alten Kram auflegen möchte, bemühe ich mich darum, zumindest einigermaßen auf dem Laufenden zu bleiben.

Bist du als Produzent eher ein einsamer Wolf?

Ja, ich arbeite den größten Teil meiner Zeit allein. Das liegt vor allem daran,dass ich von demokratischen Prozessen im Rahmen des Musikmachens überhaupt nichts halte. Du musst über jeden Scheiß diskutieren, musst abstimmen und erreichst am Ende wahrscheinlich eh nur einen faulen Kompromiss. Dadurch wird alles so unglaublich verlangsamt, dass ich es nicht ertragen kann. Ich bin es gewohnt, sehr schnell und instinktiv zu arbeiten, ohne dabei erklären zu müssen, warum ich ein bestimmtes Geräusch einfügen möchte.

Fallt es dir schwer, über deine Musik zu reden?

Nein. Schwieriger wird es, wenn mich Journalisten zum Beispiel nach j meiner Meinung über Aids fragen. In einem solchen Moment fühle ich mich verdammt unwohl, schließlich will man die richtigen, die politisch korrekten Sachen sagen. Da geht es auf einmal um eine Frage nach Leben und Tod, nicht mehr um die unbedeutenden Dinge, über die ich normalerweise meine Witzchen mache. Ich fühle mich nicht qualifiziert, über ein solches Thema zu reden, denn bei mir geht es um Showbusiness-nicht um das echte Leben.

Produzenten arbeiten ja oft alleine und dann auch noch zumeist im Heimstudio, gleich neben Kühlschrank, Bett und Fernseher. Fällt es dir in einer solchen Atmosphäre schwer, dich zu motivieren? Oder anders gefragt: Bist du ein disziplinierter Arbeiter?

Ich war die meiste Zeit meines bisherigen Lebens komplett besessen von Musik. Das hat mich zwar noch nicht unbedingt zu einer disziplinierten Arbeitsweise veranlasse Aber ich habe mich zumindest mit all meiner Energie auf die Musik gestürzt. Musik war mein Job und mein Hobby, was letztlich so weit ging, dass die meisten meiner Partner oder Freunde mich wohl als Workaholic beschrieben hätten. Sie war einfach die Sache, die mein Leben bestimmt hat.

Du redest in der Vergangenheit.

Ja,denn ich muss gestehen, seitdem ich verheiratet bin,entdecke ich mehr und mehr, dass es ein Leben außerhalb der Musik gibt. Dadurch habe ich es ein wenig an Disziplin mangeln lassen, als es darum ging, die Arbeit an diesem Album zu beginnen. Das wurde noch verschärft durch die Tatsache, dass ich ja fast zwei Jahre lang nichts mehr produziert hatte. Am Ende hat mich dann immer meine Frau mit der Peitsche an die Arbeit getrieben.

Fatboy Slim wird jetzt zum biederen Houseboy Slim?

Möglicherweise hängt das auch mit dem Alter zusammen. Als ich 22 war, drehte sich alles im meinem Leben nur um Musik. Doch jetzt, wo wir auch noch ein Kind erwarten, verändert sich mein Leben drastisch. Andererseits ist das wirklich gut, denn es bedeutet auch, dass ich den Markt nicht mehr wie früher mit dieser Flut von Platten überschwemme. Noch vor drei Jahren habe ich drei, vier pro Jahr produziert. Jetzt gebe ich den Leuten die Gelegenheit, sich zwischendurch auch mal wieder von mir zu erholen.

Plant Familienvater Slim die Zukunft?

Viele meiner Freunde wollen wissen,ob ich jetzt ruhiger werde, mich zurückziehe und einen soliden Lebenswandel anstrebe. Vielleicht werde ich seltener als DJ unterwegs sein und mehr produzieren.Oder ich kann endlich wieder Remixe anfertigen. Lass mich mal rechnen: Das Baby soll im Dezember kommen, so dass im April dann bestimmt tonnenweise neue Remixe von Fatboy Slim erscheinen werden.

Hat sich dieser Wandel auf deine Musik ausgewirkt?

Ich habe mir sagen lassen, dass mein aktuelles Album wesentlich überlegter und tiefgängiger klinge als seine Vorgänger. Und man könnte sich jetzt natürlich überlegen, ob ich seit unserer Schwangerschaft tiefgründiger geworden bin. Das weiß ich nicht genau, aber ich kann zumindest sagen, dass ich seither öfter zu Hause bin und dadurch mehr Gelegenheit habe, mich auf die Tracks einzulassen. Dadurch verliert man vielleicht die Schärfe in der Musik, weil man nicht mehr dauernd in den Clubs rumturnt und unmittelbar mitbekommt, was ganz vorne passiert.

Aber du siehst in der Musik auch weiterhin deine berufliche Zukunft?

Für mich gibt es nur einige wenige Möglichkeiten, was nach der Geburt des Babies passieren könnte. Entweder ich nehme nie wieder eine Platte auf. Oder ich nehme nie wieder eine gute Platte auf. Oder ich nehme Platten auf, die viel besser sind als alles, was ich vorher gemacht habe. Meiner Plattenfirma habe ich schon gesagt, dass sie mich ohne großes Aufsehen feuern sollen, sobald ich irgendwann mal ein schlappes Album abliefere. Björn Döring -» www.fatboyflim.de EJ