Slime – „Das waren die Popper, und wir die Punker“


Früher wollten die Politpunks von Slime weitaus mehr als nur "anecken". Milde geworden sind die Hamburger auch 30 Jahre später nicht. Was müssen sich die Kollegen also von den beiden Gitarristen der Band anhören?


Ottawan – D.I.S.C.O.

Michael „Elf“ Mayer: Na ja, das ist halt so Disco-Musik der Siebziger … (Gesang setzt ein) Ach so, klar! Wie hießen die noch?

Ottawan. Ihr hattet auf eurem Debüt 1981 einen gleichnamigen Song, als Reaktion darauf.

Elf: Der hat sich gegen all das gerichtet, was da abging, gegen „Saturday Night Fever“, den ganzen Discobetrieb. Das waren Popper, die ließen sich einfach nur einlullen, und wir waren die Punker.

Das waren noch wunderbar einfache, dankbare Feindbilder damals, oder?

christian Mevs: Ja, natürlich.

Die Toten Hosen – Tage wie diese

Elf: (nach vier Sekunden) Tote Hosen.

Das ging aber schnell.

Elf: Ich habe mir vor ein paar Tagen das Video angeschaut und dachte auch erst: Ist das jetzt U2? Die Hosen sind auf jeden Fall alte Weggefährten von uns. Vor drei Jahren durften wir mit den Mimmi’s, bei denen ich auch Gitarre spiele, bei einem ihrer Weihnachtskonzerte in Düsseldorf auftreten. Das war schon beeindruckend. Ich mag die Jungs.

Aber gab es nicht auch Zeiten, als ihr euch als Politpunks gegen sie positionieren musstet?

Mevs: Früher wie heute auch. Mir sagt das hier gar nichts. Unter Kollegen kann man freilich sagen: Gut gemacht, das Songwriting funktioniert …

Die Ärzte – Ist das noch Punkrock

Elf: Die Hives? (Gesang setzt ein) Ach so, Ärzte!

Mevs: Ich kenne mich mit den Ärzten überhaupt nicht aus, muss ich sagen.

Waren Die Ärzte das jemals: „Punkrock“?

Elf: Sie sitzen schon immer zwischen den Stühlen. Als Punk galten sie höchstens ganz am Anfang, dann waren sie ja schnell eine Popband, eine „Bravo“-Band sogar.

Und doch haben sie euch später Tribut gezollt, auf „Ein Schwein namens Männer“.

elf: Ja, ganz leise war da zu hören: (singt) „Wir wollen keine Bullenschweine“. „Polizei SA/SS“ haben sie auch live irgendwo eingebaut. Und als unser Album Schweineherbst herauskam, haben sie uns supportet und an ihrem Merchstand Slime-Promosingles verteilt. Rod hat auch unser Album Viva La Muerte mitproduziert und uns auf Tour sogar gemischt, als Tonmann.

Mevs: Als Fan, würde ich eher sagen. (lacht) Aber das ist natürlich noch viel mehr wert.

Elf: Noch vor Slime hatten wir in Hamburg-Langenhorn eine Punkrocker-Gang. Rods Schwester war mit unserem ersten Sänger zusammen, und so war Rod auch mit dabei – mit 13 oder 14. Später hat er ein eigenes Fanzine gemacht, in dem er derbe über Slime hergezogen ist: Was das jetzt für eine Kommerzkacke sei und so. (lacht)

Deichkind – Bück Dich hoch

Mevs: Geiler Song.

Elf: Bei dem Song „Die rote Kiste“ auf ihrem neuen Album spielen wir ja mit. Die haben gesagt: „Wir haben einen Punksong und brauchen eine Band dafür.“ Ich hörte ihn und dachte mir: Das ist doch geklaut – von Black Flag!

Glaubt ihr, dass das, was Deichkind ihrem feierwütigen Publikum zum Beispiel hier vermitteln wollen, tatsächlich ankommt – gerade live?

Mevs: Das glaube ich eher nicht. Vielleicht in so einer Hochpotenz. Wie in Hypnose, bei der man am Ende gar nicht mehr weiß, wo man das her hat.

Elf: Aber die hören sich das ja nicht nur beim Kiffen an und wenn sie eine Kiste leer trinken …

Mevs: Wahrscheinlich schon!

Elf: Also in einem Fernsehbericht haben sie vor Kurzem Leute aus ihrem Publikum interviewt, und da waren schon ein paar ganz coole Jungs dabei. Da fahren auch intelligentere Leute drauf ab.

Casper – Blut sehen (Die Vergessenen Pt. II)

Elf: Ist das Casper? Der hat was, auf jeden Fall. Die Stimme, und auch die wütende Attitude, das kommt schon gut rüber.

Thees Uhlmann – Das hier ist Fußball

Elf: Thees!

Der FC-St.-Pauli-Song. Das wäre jetzt vor allem was für Dirk „Dicken“ Jora, euren Sänger, oder?

Elf: Ja, er ist da ganz weit vorne.

Mevs: Welche Version des Stücks ist das? Eine habe ich gemischt.

Elf: Ich habe ihn vor Kurzem in Bremen gesehen. Da habe ich mich zwar ein wenig fehl am Platz gefühlt bei den ganzen komischen Leuten, die da so waren: Studenten, bürgerliches Volk … Aber er ist ein total netter Typ. Dicken hasst diesen Song übrigens. Er steht mehr auf so Mitgrölsachen.

(Wie auf Stichwort kommt Dicken vorbei.)

Wir reden gerade über Thees‘ St.-Pauli-Song …

Dicken: Argh, furchtbar, diese Jammerigkeit!

Aber gehört das nicht dazu beim Fußball? Ist „You’ll Never Walk Alone“ nicht auch jammerig?

Dicken: Ne! Thees ist jammerig … Aber Thees kriegt irgendwie immer sein Fett weg, oder? (lacht)

Er kam hier gut weg, bis du dazukamst.

Dicken: Nee, Thees ist schon ein Supertyp.

Slime aus Hamburg waren früh dran und musikalisch und inhaltlich radikal genug, um als die einflussreichste Punkband Deutschlands in die Geschichte einzugehen. Von 1979 bis 1984 geriet die linksextreme Gruppe nicht nur mit Polizei und Staatsanwaltschaft aneinander (einzelne Songs wurden zensiert). Sie setzte sich auch reichlich mit Richtungskämpfen innerhalb der Punkszene auseinander. 1990 vereinten sich Slime für vier Jahre wieder. Aktuell feiern sie mit ihrem sechsten Album, Sich fügen heißt lügen, ihr zweites Comeback.