Smashing Pumpkins


„FÜR 10.000 MARK KONNST AS HAM!“, streut ein stolz einherschreitender Ticketbesitzer Salz in die Wunden eines der vielen „Suche Karten“-Schilderhochhalter. Es ist Großkampftag in der Muffathalle: Der König ist da. Erstmals seit langer Zeit wieder auf deutschem Boden, und er will, dass alles nach seinem Willen läuft. Sonst: Ärger. Erstes Gesetz: Der König mag keine „recording devices“ auf seinen Konzerten. Gerade, dass einem das Türpersonal deswegen nicht die mit Verlaub – Eier in der Hose nachzählt, ist doch wahr. Drin steht Andreas von der Plattenfirma mit einer Uhr in der Hand. Nachher wird es sein Job sein, zu überwachen, dass die Viva-Leute ja nicht mehr als 60 Sekunden von jedem Song filmen. Jetzt ist nachher, und jetzt freuen sich die Fotografen: sie dürfen ein einminütiges Wummer-Intro und zwei Songs lang – also die ersten drei Stücke, wie abgemacht, ähem… – eine flackernde Nebelwand ablichten, bevor sie mit einer Hektik aus ihrem Graben evakuiert werden, als gelte es, Leben zu retten. Richtig, es flackert und nebelt: bereits durch den dritten Song vom neuen Album trümmern sich die Smashing Pumpkins jetzt schon, bei einer Lautstärke, die Ohren bluten lässt. Wieviel die Kurskorrek tur damit zu tun hat, dass das allzu kunstgewerblerische letzte Album „Adore“ Vergleichs weise keiner hören wollte, sei jetzt mal dahin gestellt. Fest steht: König Billy möcht‘ wieder rocken. Dafür hat er sogar den einst in Ungnade gefallenen Drummer Jimmy Chamberlin an seinen Hof zurückgeholt. Der sieht – aufgedunsen, nachlässig blondiert und im uringelben Proll-Muscle-Shirt – mittlerweile aus wie eine Kreuzung aus Heinz Hoenig und Thomas Strunz. Ein optischer Ausfall innerhalb der stets superstylishen Pumpkins, der jedoch souverän vom anderen Neuzugang ausgeglichen wird: Am Bass schuftet – engelsgleich und hypercool -D’Arcy-Ersatz Melissa Auf Der Maur. Jetzt erstmals ein altes Stück: „Ava Adore“, der einzige Rocker von „Adore“, in einer düsterlichen, schrägen Version mit zerrenden Akkorden, die Corgan und James lha zusätzlich mit einem atonalen – und gar nicht mal so gut eingeübten – Gitarrenzwischenspiel anreichern. Interessant. Aber woher kommt diese Tendenz zum betont Ungefälligen? Billy, der große Verweigerer?

Geholze als Selbstzweck? Muss das sein? Dabei scheint dem Gestrengen heute sogar eher spaßig zumute – soweit das bei humorlosen Menschen eben möglich ist. Immer wieder tänzelt er hölzern, sagt Songs mit mehr als fünf Worten an-bei ihm schon fast als hemmungsloses Geblödel zu werten. Dann stellt er die Band vor. Am Bass: Nina Hagen. An den Drums: Klaus Meine.“Und ich bin Thomas Häßler.“ Ja, da legst di nieder. Und gleich wieder die Ohren an: Weiter wird wie wild gerockt, gekreischt, gefeedbackt, imposant steht da so manches Riff im Raum – um bald wieder in der Beliebigkeit zu versinken. Kaum einer der neuen Songs bleibt – obschon natürlich freudig bepogt – im Gedächtnis haften, kaum je entsteht die rasende Sogwirkung früherer Tage. Da hilft es freilich auch nicht weiter, dass Chamberlin hinter seinem Wald aus ca. 340 Toms und Becken lang nicht mehr so explosiv wirbelt wie einst. Zwischendurch immer wieder heavy listening-Versionen von alten Songs: „I Am One“ kommt in einer white-noise-Punk/Metallica-Ausführung, „Bullet WithButterflyWings“ fast unkenntlich disharmonisch mit abgeschrägtem Groove und neuer Riff-Dramaturgie. Hat schon was, das alles, aber nur beim trefflich fegenden „Cherub Rock“ wird man kurz daran erinnert, warum man die Pumpkins mal so richtig toll fand. Zur Zugabe wird wieder gewitzelt: Corgan und lha beÖlen sich über die heute bekanntgewordene Samenspende David Crosbys an Melissa Etheridge. Und da sitzen sie, passt ja wunderbar, wie CSN & Y persönlich, zu viert mit Akustikgitarren und ßass auf Barhockern und spielen zum Computerbeat ein erholsam unlärmiges „1979“. Dann heulen wieder die Verstärker auf, noch erstaunliche zwei weitere Zugabenrunden lang, bis die Songs ausgehen. Da friemelt sich lha noch ein Riff zusammen, röhrt los, und Corgan improvisiert einen seltsamen „We love you, we love you“-Text darüber menschliches Antlitz oder auch wieder Kalkül? Wer weiß. Nach zwei Stunden waren das also die neuen alten Smashing Pumpkins live. Was nehmen wir mit nach Hause? Außer den Grundlagen für einen deftigen Tinnitus und einen Text, in dem alle relevanten Melissas des Rock-Biz vorkommen, leider nicht viel.