SOUND OF HEIMAT – DEUTSCHLAND SINGT


Ein Neuseeländer bereist die Republik. Und entdeckt hiesige Ethno-Sounds. Der Begriff „Deutsche Volksmusik“ sorgt beim popkulturell sozialisierten Inländer gemeinhin für stark juckenden Hautausschlag – da spielt sich vor dem geistigen Auge sofort das ganze Schreckensarsenal aus Heile-Welt-Schlagern und Schunkelflachsinn ab, im schlimmsten Fall auch noch gewürzt mit nationaler Tümelei. Dumpf und gestrig, umweht vom strengen Odeur alkoholisierter Heimatvertriebener. Nur ist traditionelle deutsche Volksmusik natürlich etwas ganz anderes, was genau, erkundet der neuseeländische Musiker und Weltenbummler Hayden Chisholm auf großer Reise von Köln übers Allgäu, Oberbayern, Franken und das Erzgebirge bis an die dänische Grenze. Wobei er allerlei Menschen kennenlernt, die -trotz unterschiedlicher Mentalitäten und Sozialisationen – eines eint: die aufrichtige Liebe zur Musik. Die sich derart authentisch Bahn bricht, dass Chisholm etwa dem Bandoneonisten Rudi Vodel völlig zu Recht attestieren kann, er spiele „erzgebirgischen Soul“. Da wird schnell klar: Volksmusik, gerne auch mit einem „x“ in der Mitte, ist eine Herzensangelegenheit, dazu da, das universelle Themenspektrum von Liebe, Abschied, Freundschaft, Freiheit und Tod genau so zu vertonen, wie einem der Schnabel gewachsen ist. Also ohne vorher einen Imageberater zu konsultieren und das Ergebnis auf kommerzielle Durchschlagskraft zu trimmen. Gut: Heiße Rhythmen und die lockere Hüfte sind nicht unbedingt teutonische Kernkompetenzen, dafür überrascht so manch alte Melodie mit einer melancholischen Schönheit, die Staunen macht. Chisholms Reise eröffnet jedenfalls auch dem Skeptiker einen entspannten, differenzierten Blick auf Deutschlands Beitrag zur Weltmusik, der mit dem volkstümlichen Dirndlterror rein gar nichts zu tun hat.

***** Uwe Schleifenbaum