Tatort-Regisseur Dietrich Brüggemann verteidigt Video-Aktion #allesdichtmachen


„Was wir erreichen wollten, ist, dass wir offen reden können“, so der Regisseur, der nun sogar eine Fortsetzung der Aktion ankündigte.

Mehr als 50 Schauspieler*innen wollten mit der Video-Aktion „#allesdichtmachen“ die Coronapolitik der Bundesregierung kritisieren, doch stattdessen lösten sie damit einen heftigen und noch immer anhaltenden Shitstorm aus. Mit an der Aktion beteiligt war auch der Tatort-Regisseur Dietrich Brüggemann, der sich und seine Kolleg*innen nun in einem Interview verteidigte. Und: Er kündigte eine Fortsetzung an.

#Allesdichtmachen-Aktion: So reagieren die beteiligten Schauspieler*innen auf die Kritik

Dass die Videos von „#allesdichtmachen“ eine derart hitzige Diskussion auslösten, erklärt Dietrich Brüggemann gegenüber der Bild nun so: „Wir haben in ein Wespennest gestochen. Man musste mit heftigen Reaktionen rechnen. Dass sie so heftig würden, damit haben wir alle nicht gerechnet. Sonst hätten wir intern auch besser überlegt, wie wir damit umgehen können.“

Kritisiert wurde unter anderem, dass die Aktion Zuspruch von rechts und der Querdenker-Bewegung erhielt. Mit den ironischen Videos hätten die Schauspieler*innen außerdem das Coronavirus verharmlost, hieß es. Doch diese Anschuldigungen weist Brüggemann nun zurück: „Wir beziehen uns auf die Kommunikation der Bundesregierung. Wir beziehen uns auf Spots, wo uns etwas Unzumutbares wie der Lockdown, der für viele Leute eine extreme Belastung darstellt, als etwas Gutes verkauft wird.“

Brüggemann fordert Ehrlichkeit von Bundesregierung

Weiter erklärte er: „Wenn die Regierung ehrlich wäre, würde sie uns reinen Wein einschenken. Dann käme da eine Blut-, Schweiß- und Tränen-Rede. Dann würde die Kanzlerin sagen: Leute, es ist schlimm. Wir muten euch etwas Unzumutbares zu, denn wir haben auf der anderen Seite nicht die Macht, das Coronavirus zu stoppen. Selbst mit diesem Lockdown.“

Dass Schauspieler*innen wie Meret Becker, Ken Duken, Kostja Ullmann, Christine Sommer, Martin Brambach, Heike Makatsch und Ulrike Folkerts ihre Videos inzwischen zurücknahmen und sich entschuldigen, erklärt Brüggemann mit „massiven Attacken.“ Es sei somit nur menschlich, die Aktion als Fehler zu deklarieren. „Aber das heißt nicht, dass es auch ein Fehler war. Denn auch dann lohnt es sich, auf den eigentlichen Inhalt der Kampagne zu schauen.“

„Dieser Shitstorm ist sehr gezielt. Das ist ein symbolischer Lynchmord“

„Wenn einem vorgeworfen wird, man sei zynisch und menschenverachtend, würde rechte Narrative bedienen. Das hat eine unglaubliche Wirkung auf Menschen. Und dieser Shitstorm ist sehr gezielt. Das ist ein symbolischer Lynchmord. Das sind lauter Vernichtungsattacken. Das ist der soziale Tod, mit dem man bedroht wird.“ Weiter erklärte er, dass er auch zahlreiche Mails von Menschen bekam, die sich bedankten. „Es sind Tausende. Von ganz normalen Leuten. Und ich lasse mir nicht erzählen, das sind alles Querdenker oder Nazis.“

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Fest steht also: Entschuldigen will sich Brüggemann für die Aktion nicht, denn: „sie kritisiert die Kommunikation der Regierung. Es sind 900 000 Menschen im letzten Jahr gestorben. Millionen konnten keinen Abschied von Angehörigen nehmen.“ Dies sei von „schrecklichen“ Video-Aktionen wie „Wir bleiben zu Hause“ verharmlost worden. Der Regisseur verriet außerdem, dass es bald mit einer Fortsetzung von „#allesdichtmachen“ weitergehen könnte. „Es kann Videos von weiteren Schauspielern geben, die sich solidarisieren. Es kann Videos von Ärzten geben. Und was wir erreichen wollten, ist, dass wir offen reden können.“

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