The B-52’s


Fred Schneider III steht auf frühe amerikanische Science Fiction-Klassiker wie „Tarantula“ zum Beispiel. „Mich reizt die Atmosphäre in diesen SF-Filmen, in denen eigentlich überhaupt nichts losgeht. Die sind so komisch, daß ich mich immer nur darüber amüsieren kann.“

Von Fred Schneider III und dem Rest der B-5 2’s fühlen sich ebenfalls einige Leute amüsiert, das Gros allerdings teilt sich in zwei unversöhnliche Lager auf: die einen hassen sie abgrundtief, die anderen sehen in ihren rückwärtsgerichteten Zerrbildern des amerikanischen way of live die Offenbarung einer neuen Pop-Avantgarde. Die beiden Mädchen mit ihren Bomberperücken sind wandelnde Satiren auf die gerade in den amerikanischen Südstaaten gepflegte Vorliebe für atemberaubende Haartürme. Die Texte bewegen sich auf höchstem Niveau der B-Movie-Dialoge und die Musik ist so frisch, knusprig und so würzig wie southern fried chicken.

Bevor sich die Mitglieder der B-5 2’s überhaupt über den Weg liefen, hatten sie in ihren frühen Teen-Jahren ähnliche Leidenschaften: alle stopften sich voll mit den Angeboten der Massenmedien. Cindy Wilson flippte damals besonders auf Motown- und Stax-Platten aus, ihr Bruder Ricky hortete Berge von Comics, und Fred war ständig auf der Suche nach alten 78er Singles von Caruso oder Bessie Smith. „Es ist ein Hobby von mir, eine Platte nach der anderen zu spielen. Wenn ich zu ’ner Party eingeladen bin, versuche ich auch immer sofort, die Kontrolle über den Plattenspieler zu bekommen.“

Eine weitere Offenbarung für Fred tat sich in der Avantgarde Film-Gruppe während seiner Schulzeit auf. „Da ich sowieso der einzige war, der mit Vorschlägen kam, konnte ich natürlich sämtliche Filme aufreißen, die ich sehen wollte. Mit der Katalogbeschreibung von John Water’s ‚Mondo Traso‘ zum Beispiel konnte ich überhaupt nichts anfangen, also besorgte ich den Streifen. Das war zu der Zeit, als jede Menge Pot geraucht wurde: alles war so surrealistisch und so hysterisch. Irgendwie hat es doch unser Leben verändert. Waters wird manchmal ja ziemlich derb, was ich nicht gerade komisch finde, aber ich stehe auf viele seiner Ideen. ‚Female Touble‘ war sein bester Film.“

Mit Kate Pierson und Keith Strickland traf Fred in Athens zusammen, dem Sitz der Universität von Georgia. Die Hälfte der Stadt besteht aus Studenten oder ex-Studenten. Die Stadt verdient sich an den Jugendlichen eine goldene Nase und versucht darum, es ihnen so behaglich wie möglich zu machen. Ende der 60er kam Athens wegen seiner streaker (hierzulande nannte man sie Blitzer oder Flitzer) ins Gespräch. Streaking hatte sich bekanntlich kurzzeitig zu einem Volkssport entwickelt, bei dem es galt, bei öffentlichen Anlässen oder einfach so auf der Straße nackt durch die Gegend zu flitzen und dabei möglichst schneller zu sein als die Ordnungshüter. In den 70er Jahren dann tat sich in Athens eine neue Boogie-Szene auf. Lokalmatadore waren die Marshail Tucker Band oder die Dixie Dreads. Aber das änderte sich wiederum mit neuen Bands wie den B-5 2’s und ihren Fans aus Atlanta.

Es war im Oktober 1976. Cindy Wilson arbeitete damals als Kellnerin in einer Lunch-Bar. Eines abends aß sie zusammen mit Freunden beim Chinesen und anschließend, reichlich angeschlagen von diversen tropischen Dinks, veranstalteten sie noch eine Jam Session. Vier Monate später traten sie zum erstenmal bei der Party eines Freundes auf. Sie nannten sich „B-52’s“, was sich, wie mittlerweile wohl jeder weiß, nur indirekt auf den amerikanischen Kriegsbombertyp bezieht, weil es eine Slang-Bezeichnung für jene überdimensionalen Monsterfrisuren ist, für die speziell auch Cindy’s Kundinnen ein Faible hatten.“.Die seltsamsten Leute kamen dorthin“, wundert Cindy sich heute noch. ,,Du konntest in Athens Frisuren sehen, das war einfach unfaßbar. Ich habe eine Perücke aus Roßhaar aber die anderen sind aus Kunstfaser gemacht, die kannst du besser pflegen. Ich habe einen ganzen Sack voll, aber die meisten sind schon ziemlich verrottet. Wir haben in Athens eine Stylistin, die diese Haarskulpturen baut – keine Ahnung, wie sie die so hoch bekommt, sie ist ein Genie!“

Die Band setzte schon gleich zu Beginn ihre eigenwilligen Stakkato-Songs gegen die (Noch-)Vorherrschaft der Boogie Bands ein. „Rock Lobster“, ihr erster amerikanischer Hit, basiert auf einer Inspiration, die Fred in einer Diskothek in Atlanta überkam: „Der Laden hieß 2001 und der Discjockey hing in einer fliegenden Untertasse. Die ganze Zeit sah man Dias von gekochtem Fleisch, Hummern, Kindern, Liebespaaren… es ergab überhaupt keinen Sinn, aber dabei kam mir die Idee für den Song. Geschrieben haben wir ihn gemeinsam. Keith und Ricky machten die Musik, Kate und Cindy kamen mit den Harmonien.“

Die B-5 2’s spielten nun neben ihren verhaßten Jobs auf Geburtstagsparties, bis sich ein erster Durchbruch anbahnte. „Ein Freund von uns, der das Wandgemälde in Max’s Kansas City in New York fabrizierte, meinte, wir seien mindestens genau so gut wie die meisten der Bands, die dort auftreten“, erinnert sich Fred. „Wir packten alles, was wir hatten, in einen Kombi und fuhren nach New York, um vor 30 Leuten vorzuspielen. Dazu kam noch ein Haufen Freunde, die wir mitgenommen hatten. Die ersten zwei Bands spielten zu lange und wir sollten unseren Auftritt kürzen – aber wir kümmerten uns einfach nicht darum. Wir hatten Glück: Der Typ, der die Gruppen bucht, stand auf uns, und der nächste Gig lief großartig. Danach kriegten wir auch ein Angebot vom CBGB’s und dann kamen die Dinge ins Rollen.“

Allerdings lief nicht immer alles glatt. „Im Mud Club kam eines abends ein riesiger Typ an, der sich eine gigantische Hummer-Ausstattung gebastelt hatte, und bestand darauf, auf der Bühne zu tanzen. Dabei brach der Boden ein und um ein Haar wären wir Kate’s Orgel losgewesen.“ Eine andere Show lief so bizarr ab, daß ein Mädchen panisch zu schreien begann. Fred lakonisch: „Ich vermute, sie stand unter LSD.“

Einen besseren Eindruck machte die Gruppe glücklicherweise auf Chris Blackwell, den Boß von Island Records, der ihr Debut-Album in Nassau auf den Bahamas produzierte. Und mittlerweile erhalten die Musiker Post aus entlegenen Gebieten wie Alaska. Sie befinden sich nun in der für sie unangenehmen Situation, die Berühmtheiten des Augenblickszu sein. „Autogramme zu geben, ist so merkwürdig“, meint Fred. „Es ist so peinlich, ich könnte dabei rot werden. Obwohl ich ja selbst um Autogramme bitte, für eine Freundin zum Beispiel, die als Tellerwäscherin in einem Restaurant arbeitet. Wenn du diesen Legenden begegnest, erwartest du ja irgendeine Aura oder irgendeine Vibration, die von ihnen ausgeht, aber dann merkst du, daß es auch nur Menschen sind.“

Er selbst, so erklärt Fred, habe keine besonderen Idole. „Manchmal ist es doch wirklich nicht mehr normal; man befindet sich in einer Sackgasse, wenn man sein Leben nur für sie lebt. Rock’n’Roll-Leute machen mich nervös, Wissenschaftler bewundere ich viel stärker. Während meiner Highschool-Zeit habe ich nur Science Fiction gelesen, am liebsten Edgar Rice Burroughs, Andre Norton oder Jules Veine. Aber die Wissenschaft interessiert mich heute weitaus mehr als die Fiktion. Es wäre, glaube ich, interessant für mich, John Lily zu treffen, das ist der Typ, der mit Delphinen arbeitet.“

In diesen Monaten waren und sind die B-52’s ununterbrochen auf Tour. Einige Gigs teilen sie sich mit den Talking Heads, die denselben Manager haben. Sobald die Reise zuende ist, werden sie sich auf’s Songschreiben konzentrieren, denn die zweite LP soll im Februar aufgenommen werden. Der Mann, der schon mit Devo arbeitete, wird vermutlich auch von den B-52’s einige Videofilme drehen, dann ist ein Abstecher nach Brasilien angesagt („Wir werden in Zukunft bestimmt auch lateinamerikanische Rhythmen verarbeiten, wir stehen nämlich alle auf Mambo…“), und das neue Haus der Band muß in Schuß begracht werden. Nördlich von New York City, in Putnam City am Hudson, kauften sich Fred & Co dieses Domizil, wo demnächst auch ein eigenes Studio installiert werden soll, damit sie die spontanen Inspirationen gleich richtig kanalisieren können.

„Wir arbeiten immer in einer anderen Dimension“, erklärt Fred. „Nicht daß wir uns unbedingt als spaced-out verstehen, aber wir fahren nun mal auf Dinge ab, die besonders hypnotisch sind, Dinge, die einen regelrecht infiltrieren. Ich vermute sogar, daß unsere Füße nicht besonders fest auf dem Planeten Erde haften.“