The Cure Hamburg, Colorline Arena


Wer früher stirbt, ist länger tot: die ewige Nebelkrähe Robert Smith zwischen Nostalgie und Abgrund. Und die Brezenverkäufer tanzen dazu...

Gibt es Hoffnung? Gibt es Heilung? Die alte Nebelkrähe Robert Smith ist in der Stadt und betritt zum feierlich wabernden „Plainsong“ jene Bühne, auf der Manowar noch vor kurzem ein Wikingerschiff aus Holz abfackelten. Die Publikumszusammensetzung ist einigermaßen bizarr: „Jägermeister Rockliga“-Gestalten, Alt-Gruftis, Pärchen, alertes Jungvolk, frustrierte Raucher. Es ist angerichtet, Smith spielt mit „Prayers For Rain“ und „Fascination Street“ gleich noch mehr von disintegration und viel später dann den tödlichen PORNOGRAPHY-Brecher“100 Years“, noch immer so ziemlich der depressivste Song aller Zeiten:

„The ribbon tightens round my throat/I open my mouth and my head bursts open“ Dazu die Brezenverkäufer erfreut mit Leuchtstäben schwenken zu sehen, ist zumindest ulkig.

The Cure leiten derweil zum Mittelteil über, der nicht deshalb so langweilig ist, weil er zwei (durchaus hübsche) neue Stücke enthält (später im Zugabenteil wird es noch ein weiteres geben; insgesamt etwas wenig Neuigkeiten angesichts der Tatsache, dass das bevorstehende neue Cure-Album ein Doppelalbum sein wird), sondern weil man plötzlich glaubt, Robert Smith die Anstrengung anzusehen, die es ihn kostet, sich dreieinviertel Stunden lang vor fremden Leuten durch die eigene Geschichte zu spielen. Man könnte auch Rosen züchten! Smith aber spielt „M“, diesen uralten Runterzieher, der so weh tut, wie es nur ein Cure-Song kann:“You’ll fall in love with somebody else again tonight“ Roberts Haar, seit langem schon berühmter als er selbst, ein Vogelnest wie eh und je, leuchtet blau im kalten Dunst, die Lightshow (think: Pink Floyd ohne fliegende Schweine) passt sich den Gegebenheiten an, und als es einem schon ganz schwummrig wird vor lauter Nostalgie, holen The Cure zum Knockout aus: „Play For Today“, „Grinding Halt“. „The Walk“, „10:15 Saturday Night“, „A Forest“, „Lets Go To Bed“ „Killing An Arab“. Wie schnell doch die Zeit vergeht: Eben noch war THE head on the door unsere erste „richtige“ Schallplatte, heute sind wir gemeinsam mit Robert Smith und seinen Liedern ergraut und stehen grüblerisch und mittellos in einer Mehrzweckhalle herum. Es stimmt schon: Wo früher ein Auftritt der Cure direkt in den Abgrund führte, wird heute vor diesem abgebremst und Halt gemacht. Diese Nacht aber hat uns auch erneut in etwas bestätigt, was wir ohnehin schon wussten: Alt werden ist ganz schön scheiße, und wer früher stirbt ist länger tot. Waiting for the death blow.

>»www.thecure.com