The Distillers München, Backstage


Anderthalb Stunden Soundcheck für eine Stunde Konzert. Egal. Wenns immer in einem solchen Inferno endet wie hier, braucht man sich um den State of punk nicht sorgen.

Heute Abend wird Punkrock-Geschichte geschrieben. Die Distillers sind auf dem Weg, die größte Punkband des Jahrzehnts zu werden – und wir als Augenzeugen live dabei! Sagt Henner. Henner ist Anfang 30, steckt in einem ausgebeulten Misfits-Sweater und muss sich am Halleneingang klein machen, um nicht mit seinen Haarstacheln anzuecken. Henner ist besessen von dieser Band, sagt er selbst. Dienstag war er in Berlin, Mittwoch in Essen, und heute schiebt er sich durchs proppenvolle Backstage in München. „Scheiße, ich musste die einfach noch mal sehen.“

Auf der Bühne hängt ein Riesentransparent mit dem Covermotiv des Distillers-Albums coral fang: ein nackter, gekreuzigter Frauenkörper mit einem Schnitt unter der Brust, aus dem fontänenweise Blut schießt. Vor der grotesken Kulisse toben sich erst mal die Opening Acts aus: Janez Detd aus Belgien machen Spaß, Minus aus Island immerhin Krach, und dann dauert’s noch läppische anderthalb Stunden, bis alles hergerichtet ist für den letzten Europa-Gig der Distillers. Genervte Pfiffe, die aber abrupt in rauschenden Jubel umschlagen, als Brody Dalle und Band auftauchen. Mit „Die On A Rope rollen sie los, weil es keinen besseren Opener gibt als diesen kraftstrotzenden, breaksatten Zweieinhalbminüter, zu dem sich die Menschen bereits gehörig herumschubsen. Düsterer, langsamer sind die Songs auf coral fang ausgefallen, ja, aber sie kommen nun auf den Punkt, statt plump daherzubrettern. Allem Material haben die Distillers nur wenig Platz gelassen auf der Setlist. Umso seliger strahlen die Zuhörer, als Dalle sich zum allseits populären „City Of Angels“auf dem Boden wälzt, derweil Andy Granelli so rastlos auf sein Drumset eindrischt, dass er sich danach einen mannshohen Standventilator herankarren lässt. “ Definitely the best show we’ve played in Germany“ röhrt Dalle heiser nach „The Hunger“, dem besten Song auf coral fang, dem besten Song auch hier. Trotzdem läuft nach einer Stunde schon die Zugabe. Aber was für eine! Zur abschließenden Lärmorgie „Death Sex“ stürzen sich Dalle und Gitarrist Tony Bradley auf Granelli und zerrupfen sein Schlagzeug, Bassmann Ryan Sinn hackt mit seinem Instrument auf den Boden ein. Dann gehen sie, und hinter ihnen brodelt der Saal. Am Ausgang wartet Henner. Klar, was jetzt kommt. „Und, hab ich zuviel versprochen? „Toll waren sie schon. Aber ob’s zur größten Punkband des Jahrzehnts reicht? Hm. Ist besser, wir legen uns da noch nicht ganz fest.