Tolles Teamwork


"In-Team" zeigt Vera Kaa von ihrer ganz persönlichen Seite

Sohnemann Nicola läuft ganz aufgeregt im Treppenhaus umher, Gatte Greg Galli sucht verzweifelt nach verlorengegangenen Schlüsseln, während sich Vera Kaa gleichzeitig um mindestens vier verschiedene Dinge kümmert. Grund der Aufregung ist nicht das bevorstehende Interview, sondern der bevorstehende Kurzurlaub der Familie in die Berge. „Den haben wir uns redlich verdient“, meint Galli, der als Produzent von „In-Team“, Kaas neuem Album, fungierte. „Schließlich haben wir intensiv daran gearbeitet. Während andere die Silvesterkorken knallen ließen, haben wir im Studio geschuftet. Hoffentlich hat sich der Aufwand gelohnt.“ Hat er, denn „In-Team“ zeigt Vera Kaa von einer sehr persönlichen Seite. Auch die Radiostationen scheinen das Album zu mögen, viele haben die Singleauskopplung J’m Just A Woman“ ins Tagesprogramm aufgenommen, selbst das Tessiner Radio Rete 3 spielt die Nummer – trotz des schweizerdeutschen Textes. Das Album ist keine Rockplatte, wie von der Plattenfirma zuerst angekündigt, sondern eine instrumental dezent erweiterte Chansonplatte. Eine Liedersammlung, die nicht durch Lautstärke, sondern durch Worte und feine Melodien besticht. Denn zum Rocken hat Frau Kaa, die Anfang der 80er Jahre mit deutsch gesungenen Songs („Die Zeit der Wölfe“) auch in Deutschland einige Erfolge feiern konnte, heute keine Lust mehr. Die Zeit der frechen Göre hat sie längst abgehakt.

„Auf die unpersönlichen Turnhallenbühnen zieht es mich überhaupt nicht mehr“, meint Vera Kaa leicht angewidert. „Die sind ein echter Graus. Da gehe ich lieber in ein kleines Theater mit 100, 200 Leuten. Außerdem wäre es schrecklich, wenn ich immer noch im Mini über die Bühne rennen müßte. Wenn Tina Turner das macht, weil sie sich so fühlt, dann finde ich das toll. Für mich würd’s einfach nicht stimmen.“

„In-Team“ ist aber auch ein „vorläufiger“ Abschied von der Welt von Zarah Leander, Brecht, Blues und Weill, die sie in den letzten Jahren so erfolgreich besungen hat. Der Großteil der neuen Songs kommt in Mundart daher. Springt die 37Jährige Luzernerin mit Zürcher Exil auch noch auf den Mundartzug auf? Kaum, denn Zugeständnisse an den Massengeschmack mag Vera Kaa nach einer 20jährigen Karriere nicht mehr machen. „Die neuen Stücke sind deshalb in Mundart gehalten, weil ich wieder einmal über meine eigene Situation als Mutter und über mein persönliches Umfeld schreiben wollte. Diese Nähe kann nur die Mundart erzeugen. Auf deutsch oder englisch geht das nicht, das würde zu unpersönlich wirken.“ Mit ihren seit langem persönlichsten Texten schafft es Kaa, eine unmittelbare Nähe zum Publikum aufzubauen. Die Songs erzählen zwar vom Leben der Vera Kaa, sie könnten aber auch vom Leben der Frau Huber oder Frau Hugentobler berichten. „Ich hoffe, daß es mir gelungen ist, vielen Leuten direkt aus dem Herzen zu sprechen“, meint sie. „Wieder einmal Single zu sein, Beziehungsstreß, Angst vor einer unglücklichen Liebe oder das nicht immer einfache Mutterdasein, das sind Themen, die mir wichtig sind und die ich in Stücken wie M’m Just A Woman‘, ‚Warum‘ oder ’24 Stund‘ anschneide.“

„In-Team“ ist denn auch kein lautes Statement, sondern eine instrumental erweiterte Fassung des bewußt simpel gehaltenen BühnenProgramms geworden. Polo-Hofer-Gitarrist Remo Kessler hat kluge Gitarrenparts beigesteuert, Cello und Streicher sorgen für zusätzliche Farben. Der latent vorhandenen Gefahr, als Kleinkünstlerin ein überproduziertes Studiowerk abzuliefern, sind Vera Kaa und ihr Team bewußt aus dem Weg gegangen: „Wir haben einzelne Titel aus dem letztjährigen Bühnenprogramm ‚Die Kunst eine Frau zu sein‘ mit Absicht ein bißchen stärker produziert. Mir schwebte eine ‚durchsichtige‘ Produktion vor, nichts Zusammengekleistertes. Diese zusätzlichen Spielereien wollten wir aber unbedingt einsetzen, schließlich gönnen wir uns nur alle paar Jahre einmal eine Platte.“

Auch wenn viel scheinbar Bekanntes in „In-Team“ eingeflossen ist, so ist es Vera Kaa erneut gelungen, in ihr aktuelles Album unerwartete Elemente einzubauen. So zum Beispiel den schrägen Tango „Seefrauen“. „Früher hat man mir vorgeworfen, auf jeder Platte eine neue Richtung einzuschlagen. Heute erwarten das meine Fans geradezu. Das Positive an meiner Position in der Kleinkunstszene ist doch, daß ich kein Image aufzubauen brauche. Diese ewigen Schubladisierungen hasse ich nämlich.“ Den kämpferischen Esprit scheint Frau Kaa auch im Jahr 1997 noch nicht verloren zu haben. Und das ist gut so.