Vera Brandes – Eine Frau mit Intuition


Mit 16 veranstaltete sie Konzerte, entdeckte wenig später Andreas Vollenweider, gründete eine eigene Plattenfirma und wird heute von amerikanischen Geschäftskollegen als "Queen of New Age" gefeiert. Anläßlich der Gründung ihres neuen Labels "Intuition" sprach Michael Jacoby mit der Kölner Karriere-Frau.

Der Versuch, mit Vera Brandes eine halbe Stunde ungestört zu reden, ist von vornherein zum Scheitern verurteilt. Ständig klingeln die beiden Telefone auf ihrem Schreibtisch – und die Kunst, zwei Gespräche gleichzeitig zu führen und zwischendurch meine Fragen zu beantworten, beherrscht diese Frau perfekt. Zeit hat Vera Brandes eigentlich nie, aber schließlich läßt sie sich doch überreden, das Gespräch in einem balinesischen Restaurant fortzusetzen, jedoch erst, nachdem sicher ist, daß man dort vegetarisch essen kann, denn „wenn du soviel um die Ohren hast, daß du manchmal nicht mehr weißt, wo dir der Kopf steht, mußt du wenigstens sonst einigermaßen gesund leben.“

Charlie. Veras ständiger vierbeiniger Begleiter muß natürlich mit. Beim Verlassen ihres Hauses in Kölns derzeitigem „In-Stadtteil“. dem Belgischen Viertel, besteht endlich die Chance der ersten ununterbrochenen Antwort. „Ich bin nicht süchtig nach dem Musikgeschäft, ich habe einfach Lust darauf und Spaß dabei. Es ist für mich eine ständige Versuchung: das Suchen und Finden von neuer Musik reizt mich immer wieder aufs Neue.“

Seitdem sie 1972 bei den Berliner Jazztagen Ronnie Scott kennenlernte, der ^Organisationstalent erkannte und sie spontan bat, eine Tournee für ihn zu organisieren, betreibt sie die „Versuchung Musikgeschäft“ professionell, managt, veranstaltet, produziert: Künstler, Konzerte, Schallplatten und Festivals.

1975. noch nicht einmal 19 Jahre alt. veranstaltete sie das legendäre „Köln Concert“ von Keith Jarrett. Inzwischen kennt sie Alles und Jeden, ist ständig unterwegs und froh, wenn sie zwischendurch mal eine Woche lang nicht aus dem Koffer leben muß. Rastlos und immer einen Telefonhörer in der Hand, „zum wirklich kreativen Teil meiner Arbeit komme ich meist erst nach Mitternacht. „

Aber gerade diesem Elan und ihrer Nase für die richtigen Sounds hat der Schweizer Harfenstreichler Andreas Vollenweider seine Weltkarriere zu verdanken.

„Es war ein Wagnis, die erste Vollenweider-Platte zu machen, denn außer einer Handvoll Spezialisten kannte ihn niemand: und an einen Durchbruch hatte außer mir erst einmal kaum jemand geglaubt. Trotzdem riskierte ich meine allerletzte Kohle für die Produktion und … mit einem Lächeln erzählt sie vom Anruf der amerikanischen Vertriebsfirma, sie solle sofort den Nagel kaufen, an dem die erste amerikanische Goldene Schallplatte (für Vollenweiders Debüt-LP) für veraBra records hängen soll. Neben VeraBra, ihrem ersten Label und Musikverlag, das Künstler wie Barbara Thompson. Jon Hiseman, Torsten de Winkel und Bettina Wegner betreut, arbeitet sie auf American Clave mit dem New Yorker Produzenten Kip Hanrahan und dem argentinischen Tango Nuevo-Papst Astor Piazzolla zusammen.

Wagnisse eingehen, um neue Musikrichtungen populär zu machen, das zeichnet Vera Brandes als Geschäftsfrau im „Männermusikbusiness“ aus. So ist sie auch für die Salsa-Welle in Deutschland maßgeblich mitverantwortlich, welche die von ihr veranstalteten Festivals mit den Salsa-Stars Celia Cruz, Eddie Palmieri und Tito Puente auslöste.

„Man muß einfach den Markt für neue Musik öffnen, wenn man eine Möglichkeil sieht, den Leuten neue Hörererlebnisse zu bereiten“, sagt Vera und kommt auf ihr jüngstes Label Intuition zu sprechen. „Es gehl mir darum. Grenzen zu überwinden, das musikalische Erleben anderer Kulturen zu ermöglichen, eine Art Völkerverständigung auf nonverbaler Ebene. Wir haben gerade zusammen mit Daniel Lanois (dem Produzenten von Peter Gabriel/ und Brian Eno eine LP von Jon Hasseil mit einer Gruppe aus der wesiafrikanischen Republik Burkina Faso produziert. Farafina ist eine Gruppe von acht Perkussionisien, die auch lanzen und singen. Die Energie dieser Musiker war einfach überwältigend. Das sind echte Naturgewallen, mit denen wir arbeilen konnten. „

Daß bei soviel Power trotzdem eine in ihrer Art sanfte Musik entsteht, findet Vera Brandes sehr wichtig. Die „New Age“-Schublade bietet sich als Bezeichnung für die Musik auf Intuition an, allerdings hat Vera Brandes damit Probleme. „Inzwischen wird mit dem Begriff sehr viel Schindluder getrieben. Das ursprüngliche Anliegen von New Age finde ich nach wie vor sehr wichtig, aber was mittlerweile alles darunter verkauft wird, ist doch glaller Etikettenschwindel.“