Ulla Meinecke – Frankfurt/Main, Sinkkasten


Ulla Meinecke’s musikalische Ich-Findung ist in Berlin weiter fortgeschritten. Und das Rock-Lady-Klischee, in das man sie einst zusammen mit den anderen singenden (Wahl-) Nordlichtern der Einfachheit halber gesteckt hat, paßt heute weniger denn je, hat Ulla Meinecke weit hinter sich gelassen. Auch Lindenbergs Schnodder-Lyrik-Einflüsse, all die Oberflächlichkeit/Unpersönlichkeit und die übertriebene Lockerheit gehören der Vergangenheit an.

Ulla Meinecke singt für kein lärmendes, johlendes, schwitzendes Publikum. Ihre Songs, die Texte verlangen vom Zuhörer (zumindest) die Bereitschaft zur Konzentration, zur Auseinandersetzung mit der äußerst bildhaften und mit Metaphern angereicherten Sprache.

Ulla Meinecke hat keine kraftvolle, modulationsfähige Stimme, dafür aber die Fähigkeit, ihre Lieder den Stimmungen entsprechend umzusetzen.Sie bevorzugt die leisen Töne, ist durchweg gefühlsbetont, nachdenklich, manchmal gar unbequem. Aber sie kann auch ungemein komisch sein, wohl dosierte Lacher provozieren. Ulla Meinecke entwirft ein bewußtes Frau-Sein ohne Emanzengehabe und Püppchenunterwürfigkeit. Sie erlaubt sich, eigene Schwächen (?) preiszugeben, ohne Peinlichkeit zu verbreiten und kratzt ebenso an den Fassaden des vermeintlich stärkeren Geschlechts.

Das Spiel ihrer Band (Gitarre/Bass/Piano/Schlagzeug/Saxophon + Lyricon) ist betont dezent, dafür aber umso kompakter. Nur fehlt es den Arrangements ‚live‘ an der Dynamik, die man aufgrund der LP gerade in der Bühneninterpretation verstärkt erwartet. Vielleicht läßt sich dieses Manko u.a. mit der nicht gerade übermäßigen Ausstrahlung der Musiker/ der Gruppe als Ganzes erklären. Es fehlen die Einzelpersönlichkeiten, die auch mal aus dem Schattendasein des Ensemblemusikers herauszutreten gewillt sind. Es ist bezeichnend, daß man Carlo Karges‘ Gitarre erst sehr spät überhaupt einmal als Einzelinstrument wahrnimmt. Und auch Richard Westers Saxophon/Lyricon, von den Klangfarben prädestiniert dazu, Akzente zu setzen, bleiben ohne rechten Biß.

Vielleicht muß man der Gruppe einfach noch mehr Reifezeit als Band zugestehen …